Die erste Kurve in Austin war schon oft Schauplatz von Startunfällen. Es gibt keine goldene Regel, welche Linie die sicherste ist durch den engen Linksbogen. Manchmal kommt man auf der Innenspur ungeschoren davon, manchmal außen. Diesmal lag der Notausgang auf der Außenseite der Kurve.
Was war passiert? Lando Norris war zu spät auf der Bremse, verfehlte den Scheitelpunkt und wurde weit nach außen getragen. Oscar Piastri sah seine Chance, den McLaren-Kollegen auszubeschleunigen, indem er seinen Wagen nach innen zog. Doch da war schon Nico Hülkenberg. Und der hatte links neben sich den Aston Martin von Fernando Alonso.
Hülkenberg traf Piastris McLaren am linken Hinterrad, drehte sich und gabelte dabei Alonso auf, der ganz links schon seine große Chance gekommen sah, drei Positionen gutzumachen. Piastri stolperte über den Sauber und flog dem Schwesterauto ins Heck. Resultat: Beide McLaren raus, Alonso weg, Hülkenberg mit abgebrochenem Frontflügel an der Box.
Doch wer hatte Schuld an dem Crash, der die WM entscheiden kann? Der Doppelausfall der McLaren schenkte Max Verstappen sechs und sieben Punkte auf seine Gegner. Der Weltmeister hatte danach nur noch George Russell als lästigen Schatten in seinem Rückspiegel und konnte trotz starker Abnutzung der Hinterreifen den Mercedes auf Distanz halten.
Wo sollte Hülkenberg hin?
Im ersten Reflex würde man sagen, dass Hülkenberg die Kettenreaktion ausgelöst hat. Doch der Sauber-Pilot war sich keiner Schuld bewusst: "Wo sollte ich hin? Links war Alonso, rechts hat Piastri reingeschnitten." Die Sportkommissare sahen es genauso. Sie stuften die Karambolage als "normalen Startunfall" ein. Der Sauber-Pilot applaudierte: "Das war die richtige Entscheidung."
Piastri beruft sich darauf, dass er mehr als eine halbe Wagenlänge Vorsprung auf Hülkenberg und Alonso hatte und die Kurve damit ihm gehörte. Außerdem musste er Kontakt mit Norris vermeiden, der vor seiner Nase geradeaus Richtung Kurvenaußenseite schoss. Er hätte seinem Teamkollegen nach außen folgen können, doch das hätte ihn Plätze gekostet. Piastri wollte auf keinen Fall ein zweites Singapur-Erlebnis. Die Papaya-Regeln ließen wieder mal grüßen.

In der ersten Kurve gab es beim Austin-Sprint eine Massen-Karambolage.
Marko sieht Alonso in der Pflicht
McLaren-Chef Zak Brown fand, dass Hülkenberg an einem Platz war, an den er nicht "hingehörte". Piastri-Manager Mark Webber dagegen nahm den Deutschen nicht in die Pflicht. "Alonso war ganz innen. Nico hat darauf reagiert, um nicht mit Fernando zusammenzustoßen. Oscar hat sich so positioniert, dass er innen an Lando vorbeikommt. Er lag vor den anderen. Also hat er das Recht dazu. Für mich war das ein typischer Startunfall, für den es keinen Hauptschuldigen gibt."
Red-Bull-Sportchef Helmut Marko gab Alonso die Schuld. "Der ist da innen reingestochen, obwohl dort gar kein Platz war. Das zwang Hülkenberg zum Ausweichen. Die McLaren-Fahrer waren das Opfer." George Russell erlebte die Szene erste Reihe Mitte, blieb aber diplomatisch: "Ich habe nicht viel davon gesehen, weil ich alle Hände voll zu tun hatte, dem Chaos zu entkommen."
Ex-Weltmeister Damon Hill nahm es von der humoristischen Seite: "Rennstreckenbauer Hermann Tilke hat Schuld. Wer so eine enge Kurve baut mit kurzem Anlauf nach dem Start und mit einem breiten Eingang und weniger als 90 Grad Radius, der beschwört solche Unfälle herauf. Aber wahrscheinlich wurde die Kurve genau aus dem Grund so gebaut."
Unterboden-Setup kostet 45 Minuten
Für die McLaren-Fahrer war das der Worstcase. Das Gespenst Verstappen wird jetzt noch größer. Und möglicherweise hat der Unfall auch noch Konsequenzen für die Qualifikation und das Hauptrennen. Bei Norris musste das ganze Heck getauscht werden, bei Piastri die Vorderradaufhängung. Das allein ist eine Titanenaufgabe bei nur 160 Minuten Zeit.
Aston Martin stand ebenfalls vor der Herausforderung, zwei Unfallautos zu reparieren. Doch damit ist es nicht getan, wie die Ingenieure erklären. An beiden Aston Martin und McLaren waren auch die Unterböden beschädigt. Die müssen nicht nur geflickt werden. "Der Boden ist je nach Strecke in allen Details individuell abgestimmt und zusammengesetzt. Es dauert bis zu 45 Minuten, dieses Setup wiederherzustellen. Das ist Millimeterarbeit. Der kleinste Fehler, und dir fehlt hinterher Abtrieb."












