Nach letzter Mercedes-Pleite: Krisensitzung im Mercedes-Hauptquartier

Mercedes von der Rolle
Krisensitzung beim früheren Imperium

GP Belgien 2025
ArtikeldatumVeröffentlicht am 29.07.2025
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Drehen wir die Zeit doch mal ein Jahr zurück. Im Sommer 2024 legte Mercedes einen Zwischenspurt hin, den so nur die wenigsten in der Formel 1 erwartet hatten. George Russell siegte in Spielberg, Lewis Hamilton triumphierte bei seinem Heimspiel in Silverstone und erbte nach P2 in Spa noch einen weiteren ersten Platz, nachdem ausgerechnet Russell wegen eines zu leichten Autos disqualifiziert wurde.

Vor dem Klassiker in Belgien stand im Gegensatz zu dieser Saison noch der Grand Prix von Ungarn an, bei dem Hamilton als Dritter ebenfalls auf das Podium kletterte. Aus diesen vier Rennen holte der ehemalige Mercedes-Mann 80 Punkte – mehr als jeder andere Fahrer in diesem Zeitraum.

Dementsprechend groß waren die Hoffnungen bei den einstigen Formel-1-Dominatoren, als sie auch dieses Jahr zu den drei Strecken reisten. Die Tatsache, dass Russell vor Spielberg souverän in Kanada gesiegt und Andrea Kimi Antonelli dort sein erstes F1-Podium erreicht hatte, ließ die Erwartungen steigen. Doch am Ende fiel die Bilanz bescheiden aus: Gerade mal 21 Punkte sammelten die Mercedes-Chauffeure. Noch schlimmer wiegt, dass die Silberpfeile bei keinem der Grands Prix in der Lage waren, um das Podium zu kämpfen.

Pokerspiel bei Russell

Die Stimmung im Team war nach der erneuten Pleite am Tiefpunkt. Wirklich erklären konnte man sich nicht, weshalb man wieder mal hinterherfuhr. "Wenn man schaut, dass wir fast eine Sekunde pro Runde auf die McLaren verloren haben, dann ist das natürlich enttäuschend", war ein Mitarbeiter der Truppe bedient nach dem Rennen in Spa.

"Platz fünf war heute das Maximum, das wir erreichen konnten. Im Vergleich zu unseren üblichen Konkurrenten war unsere Pace nicht besonders stark. Es ist frustrierend, in dieser Position zu sein, aber das war die Realität dieses Wochenendes", sagte ein ernüchterter George Russell. Mercedes hatte beim Engländer vor der Qualifikation noch beim Setup gepokert. Trotz der Wettervorhersage verpasste man dem W16 wenig Abtrieb.

Sinn dahinter: Russell sollte sich während der trockenen Qualifikation in die ersten Reihen fahren. Daraus wurde aber nichts. Es wurde nur der sechste Startplatz. Im Rennen profitierte man bei Mercedes davon, dass die Strecke nach nur einem Renndrittel trocken genug für Slicks war. Russell hatte immerhin den von P5 gestarteten Alexander Albon (Williams) auf feuchter Bahn überholt.

Toto Wolff - Mercedes - Formel 1 - 2025
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Wolff bittet zum Rapport

Die Ergebnisse sind bescheiden. Das wurmt auch Teamchef Toto Wolff. Nach dem Grand Prix von Belgien berief der Österreicher eine Krisensitzung im Hauptquartier in Brackley ein – samt der beiden Piloten. Momentan können die Ingenieure keine wirkliche Erklärung für den Performance-Verlust liefern.

Im Fahrerlager wird gemutmaßt, dass es mit der veränderten Hinterachse zusammenhängt. Diese debütierte in Imola und sollte dem Silberpfeil dabei helfen, den Verschleiß der Hinterreifen zu verringern. Das gewünschte Ergebnis lieferte sie aber nicht. Für Monte-Carlo und Barcelona verwendete man wieder die alte Spezifikation. Erst in Montreal kehrte das "Upgrade" zurück. Dort gab es mit dem Doppelpodium Grund genug, an den Durchbruch zu glauben.

Dem war aber nicht so. In Kanada gibt es nur einen Kurventyp, der dazu noch langsam ist. Hier ist es leichter, das Auto gut abzustimmen. Bei den darauffolgenden Rennen war der Mercedes beim Einlenkverhalten am Heck nervös und entzog den Fahrern das Vertrauen. Darunter leidet Rookie Andrea Kimi Antonelli sicherlich mehr als Russell, der seine siebte Formel-1-Saison bestreitet.

George Russell - Mercedes - Formel 1 - GP Spanien - Barcelona - 30. Mai 2025
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Neue Frontflügel-Regel schuld?

Die Mercedes-Misere nur auf die Hinterachse zu schieben, wäre aber zu einfach. Seit dem Großen Preis von Spanien in Barcelona dürfen sich die Frontflügel nicht mehr so stark verbiegen. Mercedes galt im Paddock als eines der Teams mit dem größten Effekt bei den Flexi-Wings.

Russell erklärte in Spa die Vorgehensweise, um die Regeländerung von Barcelona zu kompensieren. "Wir sind danach in eine etwas andere Richtung gegangen, um das Problem mit dem Frontflügelwechsel anzugehen. Seit diesem Zeitpunkt haben wir eindeutig einen großen Schritt zurück gemacht. Es ist ziemlich seltsam, wie weit wir zurückgefallen sind."

"Der Flügel war in Montreal am Auto und es war in Ordnung", grübelte Chefingenieur Andrew Shovlin. "Andere Teams balancieren ihre Autos besser aus", rätselte der Engländer nach der Spa-Schlappe. Mit den Updates der letzten Wochen wollte man den Abstand zur Spitze verringern. Der ist aber wieder angewachsen.

Mercedes - GP Belgien 2025 - Spa - Formel 1
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Mercedes nutzt Zeit zum Lernen

"Wir betrachten alle Schritte, die wir in den letzten Rennen beim Autodesign unternommen haben. Es ist nicht nur der Frontflügel, der sich geändert hat, und ich bin sicher, dass wir noch mehr lernen können", gab Shovlin die Marschroute für die zweite Saisonhälfte aus. Mercedes will die Zeit nun nutzen, um das Auto wieder besser zu verstehen und für die nächste Saison zu lernen.

2026 will Mercedes schließlich wieder um Titel fahren. Auf Motorenseite scheint das Team vor dem Regelumbruch gut aufgestellt. Die Frage lautet deshalb, wie gut der Rest des Autos wird. In der Groundeffect-Ära schafften es die früheren Seriensieger bisher nicht, konstant an der Spitze zu kämpfen.

Max Verstappen wird sich besonders gut anschauen, welche Leistungen Mercedes in der kommenden Saison zeigt. Nachdem sein Verbleib bei Red Bull für 2026 bestätigt wurde, könnte er schon bald erneut in Wechselversuchungen kommen, falls sein Team kein gutes Auto liefert. Wenn Mercedes den besten Fahrer für 2027 verpflichten will, braucht es aber selbst ein starkes Paket.