Horror-Unfall in Zandvoort: Fahrer verbrennt qualvoll im Cockpit

Der Horror-Unfall von Zandvoort 1973
Fahrer verbrennt qualvoll im Cockpit

GP Niederlande 2025
ArtikeldatumVeröffentlicht am 29.08.2025
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Jüngere Formel-1-Fans verbinden Zandvoort vor allem mit einer großen Party in den Nordsee-Dünen. Doch so ausgelassen ging es auf dem Traditionskurs nicht immer zu. Wenn der Niederlande-Grand-Prix auf dem Plan steht, kommt vielen älteren Motorsportfreunden direkt einer der schlimmsten Unfälle der Grand-Prix-Geschichte in den Sinn. Wir erinnern hier noch einmal an das Schicksal von Roger Williamson.

Es war der 29. Juli 1973. Die Formel 1 feierte ihr sehnlichst erwartetes Comeback auf der malerisch gelegenen Rennstrecke westlich von Amsterdam. Zuvor hatte der Grand-Prix-Zirkus zwei Jahre lang einen Bogen um den als gefährlich geltenden Dünenkurs gemacht. Doch mit zahlreichen Modernisierungen konnte der Sicherheitsstandard so weit angehoben werden, dass alle Bedenken ausgeräumt schienen.

Piers Courage war hier 1970 nach einem Crash verbrannt. Solch ein Unfall sollte sich eigentlich nie wiederholen. Doch schon einen Tag vor dem Rennen kommt es erneut zu einem Drama, als Emerson Fittipaldi im Training mit 200 km/h in die Barriere rast. Der Brasilianer wird bei dem Unfall eingeklemmt. Obwohl der Pilot aus dem Cockpit winkt, halten sich die Streckenposten zurück. Schließlich muss ihm Konkurrent Mike Hailwood aus den Überresten seines schwarz-goldenen Lotus-Wrack helfen. Fittipaldi kommt mit schweren Prellungen an den Beinen davon.

Unfall Roger Williamson - Zandvoort 1973
LAT via Getty Images

Williamson-Tragödie in der achten Runde

Am Sonntag geht ein ähnlicher Unfall dann nicht mehr so glimpflich aus. Als die Autos auf die 72 Runden lange Reise geschickt werden, ziehen dunkle Wolken über die vollen Tribünen. Kaum einem Zuschauer war aufgefallen, dass der March 731 von Roger Williamson nicht rechtzeitig an den Start gerollt war. Als Folge musste der sympathische Engländer bei seinem zweiten Grand-Prix-Rennen aus der letzten Reihe losfahren.

Schon in der ersten Runde kollidieren Niki Lauda und Howden Ganley. Beide können ihre Fahrt aber fortsetzen. Jackie Oliver muss dagegen aufgeben, nachdem er in Kurve 4 (Hunzerug) in die Bande kracht. Es ist das Vorspiel zu einem Drama, das sich in der achten Runde vor den Augen der Zuschauer abspielt.

Nach einem Reifenschaden hatte Williamson im Abschnitt "Tunnel Oost" die Kontrolle über seinen Rennwagen verloren. Der 25-Jährige überschlug sich und rutschte brennend mit dem Heck voran die rechte Leitplanke entlang. Der Feuerball kommt erst nach einer gefühlten Ewigkeit zum Stehen.

Unfall Roger Williamson - Zandvoort 1973
LAT via Getty Images

Heldenhafter Einsatz von David Purley

David Purley fährt direkt hinter Williamson, als das Unglück passiert. Er parkt seinen March links in der Wiese und eilt seinem Landsmann zur Hilfe. Doch an der Unfallstelle erkennt der Brite schnell die aussichtslose Situation. Williamson ist zu diesem Zeitpunkt noch bei Bewusstsein und fleht seinen möglichen Retter an. Doch er ist in seinem umgedrehten und brennenden Auto eingeklemmt.

Trotz des Flammeninfernos versucht Purley alles, um den verunfallten Rennwagen wieder aufzurichten. Streckenposten verfolgen das Geschehen mit Abstand. Sie haben keine feuerfeste Kleidung an. Es bietet sich ein Bild erschütternder Hilflosigkeit. Purley entreißt einem der Marshalls einen Feuerlöscher, kann aber nichts gegen die Flammen ausrichten. Einige Zuschauer versuchen sogar von den Tribünen zur Unfallstelle zu gelangen, um zu helfen, werden aber von Ordnern und der Polizei zurückgehalten.

Als der Feuerlöscher leer ist, versucht Purley ein letztes Mal, das Auto wieder auf die Räder zu stellen. Doch die Situation ist hoffnungslos. Ein Polizist fordert ihn schließlich auf, Abstand zu halten und sich selbst zu schützen. Das Feuer wütet wie wild. Schwarzer Rauch steigt auf. Die Tragödie ist nicht mehr zu verhindern. Es sind schwer zu ertragende Bilder.

Unfall Roger Williamson - Zandvoort 1973
David Phipps via Getty Images

Feuerwehr kommt viel zu spät

Ein Fahrzeug der Feuerwehr wird von den Boxen losgeschickt. Bei der Ankunft gibt es aber nichts mehr zu retten. Purley wird vom Ort des Geschehens weggeführt. Der Pilot ist sichtlich aufgebracht, gestikuliert wütend in Richtung der anderen Fahrer, die das Rennen fortführen, als sei nichts gewesen. Niemand sonst hatte angehalten, um zu helfen. Die meisten dachten wohl, es habe sich bei dem brennenden Auto um das von Purley selbst gehandelt.

Auch die Rennleitung interveniert nicht. Es gibt keine Monitore, die den Streckenabschnitt "Tunnel Oost" überwachen. Der Rauch wird als Lagerfeuer von Fans interpretiert. Weil die restlichen Piloten ihr Tempo kaum drosseln und die Rundenzeiten auf einem relativ normalen Niveau bleiben, sieht man in der Zentrale keine Veranlassung, das Rennen zu unterbrechen.

Während der Rest des Feldes die 19. Runde beginnt, ist der March endlich gelöscht und kann wieder aufgerichtet werden. Unter den Augen von Purley wird der Leichnam von Williamson geborgen. Im Fahrerlager verbreitet sich die Nachricht der Tragödie nur langsam. An einen Abbruch denkt aber auch jetzt niemand. Am Ende feiern Jackie Stewart und Francois Cevert einen Doppelsieg für Tyrrell. Die Stimmung ist verständlicherweise gedrückt, als die Pokale auf dem Podium überreicht werden.

Keiner übernimmt die Verantwortung

Am Tag darauf lässt Purley seiner Wut gegenüber Reportern freie Bahn: "Williamson hat noch gelebt, als ich ankam, ich hörte ihn rufen. Das Löschfahrzeug kam erst nach zehn Minuten. Die Feuerwehrleute trugen dicke Asbestanzüge, aber keiner traute sich näher als fünf Meter heran. Ich war so wütend, dass ich einen der Feuerwehrleute geschlagen habe. Das waren alles Feiglinge. Ich bin vor Wut fast wahnsinnig geworden. Die wussten nicht einmal, wie man einen Feuerlöscher bedient."

Denis Hulme, der die Fahrergewerkschaft anführte, schimpfte auf die Verantwortlichen: "Sie haben ihn umgebracht." Doch Rennleiter Ben Huisman verteidigte das zögerliche Vorgehen. Ihm sei gesagt worden, dass es sowieso keine Aussicht auf Rettung gegeben habe. Deshalb sei das Rennen nicht gestoppt worden. Huisman wird zwar als Rennleiter abgesetzt, muss sich rechtlich aber nie verantworten.

Purley erhielt für seinen mutigen Einsatz später die Georgsmedaille, den zweithöchsten zivilen britischen Tapferkeitsorden. Im Alter von 40 Jahren kommt der passionierte Kunstflieger 1985 bei einem Absturz mit seinem Doppeldecker über dem Ärmelkanal selbst ums Leben.

Fazit