Erster Fahrtest VW ID.Polo: Warum dieser Elektro-VW funktionieren muss

VW ID.Polo (erster Fahrtest)
Endlich ein Elektroauto für alle?

ArtikeldatumVeröffentlicht am 15.12.2025
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Der Erwartungsdruck ist groß. Auch wenn sich die übrigen ID-Modelle inzwischen im Markt etabliert haben, ist die Schmach ihres holperigen Starts noch nicht vergessen. Und mit dem ID. Polo soll Elektromobilität nun definitiv das neue Normal werden. Das beginnt schon beim Namen: Statt ihn – analog zur Studie von 2023 – ID.2 zu nennen, werden altbekannte Namen auf die neuen E-Modelle übertragen. Leicht vorstellbar, was später auf den Polo folgen könnte.

Was beim Erstkontakt mit dem ID. Polo ins Auge springt, ist die auffällige Folierung in einem Mix aus Andy Warhol und Polo Harlekin, doch darunter ist das Auto bereits zu 99 Prozent so, wie es im April der Öffentlichkeit präsentiert wird. Ja, wir fahren hier ein Vorserien-Exemplar, aber – um das vorwegzunehmen: Es fühlt sich nicht so an.

Zu 99 Prozent im Serienstand

Na gut, der ein oder andere Schalter im Innenraum, den wir Ihnen heute noch nicht zeigen dürfen, knarzt noch ein bisschen, und auch der Software-Stand hat noch nicht die finale Finesse. Aber wir bewegen uns hier in einem Reifegrad, der bei manch einem Konkurrenten als serientauglich durchgehen würde.

Und genau da will VW wieder hin: "Die alte Nerdigkeit ist wieder da", hört man von verschiedenen Seiten. Der Golf IV und seine Spaltmaße werden oft zitiert, auf Flughöhe mit
den Ikonen der Marke möchte man den ID. Polo bringen. Dabei ist die Plattform nicht gänzlich neu: Der MEB wächst zum MEB+, wie einst der MQB zum MQB evo wurde.

Die Basis bleibt also ähnlich, nur das darauf aufbauende Konstrukt wird so massiv erneuert, dass ein frisches Modell dabei herauskommt. Im Falle des ID. Polo sprechen wir von einem klassischen Kleinwagen mit 4,05 Metern Außenlänge, der aber – anders als die bisherigen ID-Modelle – als reiner Fronttriebler konzipiert ist. Anders als im ID.4 steckt also im Hinterwagen keine Hochvolttechnik.

MEB+ erhöht die Flexibilität

In der Theorie könnte man daher die vordere Antriebshälfte für sich abkapseln und mit verschiedenen Radstandsvarianten hinten so viel an Karosserie anbauen, wie man gerade Lust hat. In der Fahrzeugmitte stecken wahlweise Batterien mit 37 oder 52 kWh Kapazität, die aber wegen ihrer unterschiedlichen Bauweise in Dimension und Gewicht nahezu identisch sind. Hat den Vorteil, dass sich die Gewichtsverteilung unter den Varianten kaum ändert – da freut sich der Fahrwerksentwickler.

Apropos Varianten: In dieser Hinsicht kommt VW zunächst mit drei Leistungsstufen. Die beiden schwächeren Versionen mit 85 oder 99 kW arbeiten mit dem kleineren Akkupack zusammen und sollen auf etwa 300 Kilometer Reichweite kommen. Die von uns gefahrene Top-Version mit 155 kW schafft laut VW-Berechnungen zusammen mit der 52-kWh-Stromquelle sogar bis zu 450 Kilometer. Finale Homologationen stehen noch aus. Beim Praxisverbrauch streben die Entwickler entsprechend kleine Zahlen an: Wenn beim WLTP eine Zwölf vor dem Komma stünde, wäre man höchst erfreut, heißt es, und auf der Straße sollten mittlere 13-kWh-Werte pro 100 km machbar sein.

Erfreulich schlank geraten

Die Motoren der drei Derivate sind derweil nahezu baugleich. Rund 95 Prozent Gleichteile gibt VW an, nur die Übersetzung ändert sich, und die stärkere Version hat mehr Permanentmagnete im Rotor. Besonders stolz ist man auf die kompakte Bauform samt integriertem und nun "in-house" entwickeltem Pulswechselrichter, was die komplette Motor-Getriebe-Kombination nur 75 Kilo schwer macht. Generell hat VW das Gewicht für E-Auto-Verhältnisse erfreulich gering gehalten: Rund 1500 Kilo geben die Wolfsburger an.

Keine neuen Rekorde stellt man bei den Ladetempos auf, das muss man bei diesen kleinen Akkus aber auch nicht. Der 37-kWh-Version reichen maximal 90 kW (DC), um in 27 Minuten von 10 auf 80 Prozent zu kommen, die große Variante braucht für dieselbe Übung mit maximal 130 kW nur 23 Minuten.

Fahrwerksseitig setzt VW vorn auf eine MacPherson-Konstruktion, und auch an der Hinterhand wird es nicht vogelwild: Die Verbundlenkerachse ist klassentypisch, mit einer komplexeren Mehrlenkerkonstruktion wäre der angepeilte Grundpreis nicht zu halten. Dafür will man aber die konstruktiven Nachteile der günstigeren Lösung mit einigen cleveren Kniffen im Bereich der Achsanbindung umschifft haben. Mit einem Zweikomponenten-Lager lassen sich etwa in x- und y-Achse unterschiedliche Steifigkeiten darstellen, und ein Massedämpfer gleicht jene Poltereien aus, die wir Tester gern als "Hopsigkeit" verwortbilden.

Echte Tasten sind zurück

Ob sich das auch auf der Straße widerspiegelt, finden wir gleich heraus. Vorher krabbeln wir jedoch noch ein wenig durch den Innenraum. Wir sitzen für die Maßstäbe eines Elektroautos, das den Akkupack gezwungenermaßen im Wagenboden mit sich führt, nicht zu hoch auf bequem gepolsterten und mit Ökostoffen bespannten Sitzen. Das oben wie unten abgeflachte Lenkrad hat keine Sechs-Uhr-Speiche, dafür wieder echte Tasten. Was jedoch fehlt, ist eine Gurthöhenverstellung.

Im Fond sitzen selbst Erwachsene bequem, nur das verbaute Panoramadach schränkt die Kopffreiheit ein wenig ein. Zudem vermissen wir eine herausklappbare Mittelarmlehne. Der Kofferraum fällt mit 435 bis 1243 Litern überraschend üppig aus und lässt sich zudem durch seinen variablen Boden vielseitig nutzen.

Variable Lenkung, harmonische Bremse

Jetzt aber auf die Straße! Was direkt auffällt: Das Fahrwerk haben sie in seinen Grundzügen erstaunlich straff abgestimmt, wobei es nicht eine Nuance Komfort opfert. VW hat verstanden, dass es dafür nicht zwingend einer besonders weichen, sondern einer ausgewogenen Konfiguration bedarf. Eine mutige, aber sehr löbliche Wahl, vor allem, weil der ID. Polo über kein Adaptivfahrwerk verfügt. Über die Fahrmodi lassen sich Parameter wie die Rekuperation oder die Lenkcharakteristik justieren.

Bei Letzterer sind wir uns nicht ganz sicher: Im Anlenkverhalten gefällt uns die Sport-Applikation besser, ab einem bestimmten Lenkwinkel verhärtet sie aber unangenehm gekünstelt. Zum Glück kann sich der Fahrer die einzelnen Parameter im Individualmodus nach Gusto selbst zurechtschütteln. Die Traktion ist okay, aber bei feuchten und kalten Bedingungen schon am Limit der rollwiderstandsoptimierten Bridgestones. Doch keine Sorge: Der GTI bekommt später Sportreifen aus dem Hause Michelin. Ausgesprochen positiv fällt die Bremse auf: Hier hat VW den Übergang von der Rekuperation auf den Pedalbefehl extrem harmonisch hinbekommen. Kein Rucken, kein Nicken – perfekt.

Fazit