Nicht nur für Enzo Ferrari war der Motor das Herzstück eines Sportwagens. Doch keiner brachte dieses Mantra so auf den Punkt wie der "Commendatore": "Aerodynamik ist etwas für Leute, die keine Motoren bauen können", sagte Ferrari in den Sechzigerjahren einmal. Und da seine Autos in dieser Zeit auf fast allen Rennstrecken sowie in vielen Rennserien der Welt gewannen und die Straßenautos immer größere Begehrlichkeiten weckten, implizierte dieser Ausspruch automatisch: Die Motoren von Ferrari gehören zu den besten der Welt.
Entsprechend viele Hersteller dürften folglich scharf darauf gewesen sein, die Triebwerke aus Maranello in den eigenen Modellen zu verwenden. Doch nur wenigen von ihnen gelang es tatsächlich, Ferrari zur Herausgabe von ein paar Vier-, Sechs- oder Achtzylinder-Triebwerken zu bewegen. Die meisten dieser Marken stammen wenig überraschend aus dem Fiat-Universum (Italiens großer Autokonzern übernahm Ende der Sechzigerjahre 50 Prozent von Ferrari und nach Enzos Tod die kompletten Anteile). Dennoch befinden sich einige Überraschungen in dieser Aufzählung, und nicht jeder Motoren-Transfer wirkt aus heutiger Sicht naheliegend.
Maserati Coupé (4200) und Spyder
Ferrari war und ist längst nicht die einzige italienische Edelmarke, die zum Fiat-Imperium gehört(e). Maserati wurde in den frühen Neunzigerjahren ebenfalls vom Konzern übernommen. Gemeinsamer Chef beider Nobelhersteller war daraufhin Luca di Montezemolo, der eines Tages verfügte, dass die Motoren aus Maranello ebenso in den Dreizack-Sportwagen zum Einsatz kommen sollen. Und so begab es sich, dass das Maserati Coupé (auch als 4200 bekannt) 2001 mit dem damals neuen F136-V8-Saugmotor von Ferrari auf den Markt kam.
Interessant ist dabei die Chronologie: Der erste Serien-Ferrari mit dem F136-Treibsatz, der F430, kam erst 2004 auf den Markt. Dafür zeigte sich der Motor in Maserati-Spezifikation etwas abgespeckt. Einerseits beim Hubraum (4,2 statt 4,3 Liter), aber auch bei der Technik: Statt der Flatplane-Kurbelwelle für eine maximierte Drehfreude erhielten die für Maserati bestimmten Motoren ein klassisches Cross-Plane-Pendant. Und entsprechend deutlich weniger Leistung (390 statt 490 PS).
Maserati GranTurismo, GranCabrio und Quattroporte
In den Folgejahren entwickelte Ferrari den Motor weiter, und zwar nach dem bisherigen Schema: Die Sportwagen mit dem springenden Pferd durften mit einer möglichst hohen Drehzahl glänzen, während die Verwandtschaft mit dem Dreizack eher über den Drehmoment-Punch und eine eigenständige Soundkulisse kommen sollte. Also erhielten der 4200-Nachfolger Maserati GranTurismo samt Cabrio-Ableger sowie der Quattroporte in ihren heißen Versionen eine von Trocken- aus Nasssumpfschmierung umgebaute 4,7-Liter-Variante des F136. Mehr als 460 PS waren den Straßenmodellen jedoch nicht vergönnt. Zum Vergleich: Im Ferrari 458 Speciale leistete eine 4,5-Liter-Version später 605 PS.
Alfa Romeo 8C
Wo wir gerade beim F136-Motor sind: Der Alfa Romeo 8C Competizione und dessen Spider-Version tragen ebenfalls den V8-Motor mit dem markanten Ansaugkrümmer im Bug. Und zwar in der 4,7-Liter-Nasssumpf-Konfiguration, die im ikonischen Alfa-Sportler 450 PS leistet. Dass die Sportwagen-Schönheit schnell zum begehrten Sammlerauto wurde, lag sicher nicht nur am ikonischen Design und an der Limitierung auf 1.000 Exemplare (jeweils 500 Coupé s und Spider), sondern auch am feurigen Ferrari-Herz.
Gillet Vertigo
Ein weiterer F136-Profiteur kommt aus Belgien und heißt Gillet Vertigo. Ab 2008 erhält die Modellversion Vertigo .5 Spirit die Maserati-Spezifikation des V8-Motors, also jene mit 4,2 Litern Hubraum. Allerdings kitzelt Automobiles Gillet etwas mehr Leistung aus dem Triebwerk: Bei 420 PS geht's los, aber auf Wunsch und gegen Aufpreis gibt es von vornherein diverse Tuning-Maßnahmen. Konkurrenz erwächst den Italienern dadurch nicht wirklich angesichts der verschwindend geringen Stückzahlen, die aus der belgischen Gillet-Manufaktur auf die Straßen dieser Welt rollen.
Lancia Thema 8.32
Noch bevor sich Fiat 1988 Ferrari komplett einverleibt, fädeln die Italiener einen aufsehenerregenden Motorentransfer ein: 1986 wird die Tochtermarke Lancia dazu auserkoren, ein heißes Topmodell seiner Mittelklasse-Baureihe Thema (die wiederum ein Ableger des Fiat Croma war) aufzulegen und dafür einen Ferrari-Motor zu nutzen. Das Ergebnis heißt Lancia Thema 8.32 und der Motor stammt aus dem Ferrari 308 QV. Die Eckdaten: acht Zylinder, 32 Ventile (daher die Modellbezeichnung) und 215 PS.
Das ist viel für eine Mittelklasse-Limousine der Achtzigerjahre, aber freilich weniger als im Maranello-Sportwagen, der nicht zuletzt dank stärkerer Kurbelwellenkröpfung auf 240 PS kommt. Doch auch in anderer Hinsicht stößt der Lancia mit seinem Ferrari-Motor an Grenzen, schließlich überträgt dieser seine Kraft von bis zu 285 Newtonmetern über die Vorderräder auf den Untergrund. So haben die Differenzialsperre und die 205er-Reifen auf den Campagnolo-Rädern reichlich zu tun, um den Schlupf beim Beschleunigen in Grenzen zu halten.
Lancia Stratos
Der Thema 8.32 ist jedoch nicht der erste Lancia, der in den Genuss eines Ferrari-Motors kommt. In den frühen Siebzigerjahren beginnen in Turin die Entwicklungsarbeiten am Stratos, der nur einem Zweck dient: auf den Rallyepisten alles in Grund und Boden zu fahren. Beste Voraussetzungen dafür liefert der Ferrari- Dino -V6-Motor, mit dem natürlich ebenso die für die Homologation benötigten knapp 500 Straßenautos ausgerüstet werden. Hier treffen 190 PS und maximal 225 Newtonmeter auf lediglich 980 Kilogramm; kein Wunder, dass die hinterradgetriebene Mittelmotor-Flunder Lancia Stratos Mitte der Siebzigerjahre die Rallyeszene nach Belieben dominiert.
Fiat Dino
Diese Kooperation geht Ferrari nicht ganz uneigennützig ein. Mitte der Sechzigerjahre wollen Enzos Gefolgsleute einen V6-Motor für die Formel 2 homologieren. Das Reglement schreibt jedoch vor, dass dieser Motor zuvor in einem Jahr in 500 Straßenautos eingebaut werden musste; eine Stückzahl, die Ferrari damals nicht stemmen kann. Also werden die Verbindungen zum Fiat-Konzern genutzt, um dem eigenen Dino 406 GT, der eigentlich ein Ferrari ist, jedoch den Namen nicht tragen darf, ein Fiat-Pendant zur Seite zu stellen.
Daraus entsteht sogar ein Duo, und das gerät erstaunlich verschieden. 1966 kommt der asketische Fiat Dino Spider mit Pininfarina-Karosserie, ein paar Monate später folgt das eher luxuriöse Coupé mit Bertone-Blechkleid. Der im Ferrari Dino als Mittelmotor eingebaute Zweiliter-Aluminium-V6 werkelt hier im Bug. Später folgt eine stärkere 2,4-Liter-Version mit Eisenblock, wie sie auch der erwähnte Lancia Stratos sowie der Dino 246 nutzen. Heute gehören die Dinos zu den am meisten gesuchten und teuersten Fiat-Modellen überhaupt, was nicht unerheblich mit dem Ferrari-Herz zusammenhängen dürfte.
ASA 1000 GT
Wenn Sie Ferrari heute für einen hochexklusiven Autobauer halten, dann ist die Marke in den Sechzigern im Vergleich geradezu ein Kleinserienhersteller. Damalige Ferraris sind domestizierte Rennwagen, die – das war Enzos Credo – von einem V12-Motor angetrieben werden müssen. Dennoch steht dem Commendatore ebenfalls der Sinn nach einem kleineren, erschwinglicheren Sportwagen. Also gibt er bei Bertone ein kompaktes Coupé in Auftrag, dessen elegante Linien von keinem Geringeren als Giorgetto Giugiaro entworfen werden.
Das Auto debütiert auf dem Turiner Autosalon 1961 als ASA 1000 GT. Und im von Giotto Bizzarini entwickelten Rohrrahmen-Fahrgestell trägt er einen Ferrari-Motor – nur eben keinen kompletten. Bei dem Einliter-Vierzylinder handelte es sich quasi um ein Drittel eines Dreiliter-Ferrari-V12, wobei zwei Weber-Vergaser für die Gemischaufbereitung des Motörchens zuständig sind. Doch als das Auto 1964 auf den Markt kommt (da hat Ferrari das Projekt längst abgegeben), sind nur wenige Menschen bereit, 6.000 US-Dollar für einen Sportwagen mit so kleinem Motor auszugeben. Trotz des Ferrari-Genpools werden lediglich etwa 110 ASA 1000 GT gebaut.
Lobende Erwähnung: Alfa Romeo Giulia und Stelvio QV
Handelt es sich beim 2,9-Liter-Biturbo-V6 mit dem Codenamen 690T, der die heißen QV-Version von Alfa Romeo antreibt, um einen Ferrari-Motor? Die Antwort auf diese Frage hängt stark davon ab, wie man "Ferrari-Motor" definiert. Denn die Unterschiede gehen über ein bloßes "das ist der Ferrari-F154-V8, dem zwei Zylinder gekappt wurden" hinaus. Konstrukteur Gianluca Pivetti, der zuvor bei Ferrari am F154 mitentwickelt hatte, übernahm zwar einige Spezifikationen, doch in zentralen Bereichen differenzieren sich die Triebwerke – unter anderem bei der Kurbelwelle. Dennoch soll der Alfa Romeo 690T hier Erwähnung finden, zumal er mit bis zu 540 PS und damit einer spezifischen Literleistung von fast 187 PS sehr gut im Futter steht.












