Elektrische Mittelklasse-Limousinen im Test: Wo stehen die Newcomer von BYD und XPeng?

Elektrische Mittelklasse-Limousinen im Test
Wo stehen die Newcomer von BYD und XPeng?

Veröffentlicht am 06.07.2025

Ungefähr so alt wie das Gerede darüber, dass es dem deutschen Fußball seit Miroslav Klose an einem echten Weltklasse-Mittelstürmer gebreche, ist jenes von der Überlegenheit der chinesischen Elektroautos. Gerade im Umfeld der Shanghai Auto Show vor ein paar Wochen gab es kaum eine Publikation oder Talkshow, in der dieses Narrativ nicht gepflegt wurde. Testen wir also, was wirklich dran ist.

Und zwar in der Mittelklasse, jener anspruchsvollen Kategorie, in der die Schnittmenge zwischen Business- und Familien-Kundschaft besonders groß ist. Dort drängen mit BYD Seal und XPeng P7 zwei Mitbewerber aufs Spielfeld. Bereits zu Beginn räumen sie mit einem Vorurteil auf: Besonders billig sind beide Elektro-Limousinen nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn man sie mit den ähnlich konzipierten und motorisierten Hyundai Ioniq 6 und VW ID.7 vergleicht.

Jeweils rund 50.000 Euro gilt es lockerzumachen, bevor man eines der vier E-Mobile mitnehmen darf. Sind Seal und XPeng wirklich besser als ID.7 und Ioniq 6? Schau’n mer mal, wie der Fußball-Kaiser sagte.

Der Exot aus Guangzhou

Der XPeng P7 genießt vermutlich den größten Exotenstatus. Immerhin zählt die nach Unternehmensgründer He Xiaopeng (ausgesprochen ähnlich wie Schu-Pung) benannte Firma erst seit 2018 zum Kreis der Automobilhersteller und hat seither nur knapp über eine halbe Million Autos gebaut. Dem P7 ist das freilich nicht anzusehen.

Xpeng P7
Achim Hartmann

Die fast 4,9 Meter lange Limousine macht auf den ersten Blick und den zweiten Touch einen durchaus properen Eindruck. Das gilt sogar für das Interieur: Materialgüte und Verarbeitung zeigen sich auf beachtlichem Niveau. Selbst das früher bei fernöstlichen Automobilen nicht selten vorhandene Weichmacher-Odeur scheint verschwunden: Der P7 verströmt unauffälligen Neuwagenduft.

An der Bequemlichkeit des Mobiliars gibt es ebenfalls nicht viel auszusetzen. Es erweist sich als recht komfortabel, wenn auch als nicht ganz so hochwertig wie die Sessel der Konkurrenz. Gut jedoch, das sei bemerkt, die Seitenführung und die Abstützung im Schulterbereich. Mit den notwendigen Bedienschritten zum Start des Wagens ist man zudem rasch vertraut. Für die Getriebefunktionen ist ein kleiner Hebel rechts des Lenkrads zuständig, ganz im Tesla-Style. Und wie bei Tesla dient der Hebel auch zur Aktivierung der serienmäßigen adaptiven Geschwindigkeitsregelung.

Xpeng P7
Achim Hartmann

Mit der weiteren Bedienung sollte man sich allerdings vor Fahrtantritt vertraut machen, denn intuitiv gelingt da wenig – was den XPeng ebenfalls mit den kalifornischen Vorbildern verbindet. So müssen zum Beispiel Lichtfunktionen über den Touchscreen bedient werden. Auch der im Dachbereich untergebrachte Warnblinkschalter ist kein Musterbeispiel gelungener Ergonomie. Immerhin verfügt der P7 über einen konventionellen Hebel links vom Lenkrad, mit dem sich Scheibenwisch-Funktionen mühelos aufrufen lassen.

Was als nicht geringer Vorzug zu werten ist: Auf der Internetseite des Importeurs steht eine sehr ausführliche deutschsprachige Bedienungsanleitung zum Download bereit. So viel Mühe geben sich nicht alle Firmen, die Elektrowagen aus China hierzulande vertreiben wollen. Weitere gute Seiten des P7 sind der Antrieb und die Hochvoltbatterie. Der Motor, wie bei den Rivalen im Heck installiert, zeigt sich emsig, ermöglicht gute Fahrleistungen. Und die mit 86,2 kWh angegebene Batterie erlaubt mit leichtem rechtem Fuß Reichweiten über 500 km. Die 175 kW Ladeleistung (laut Werk) können sich ebenfalls sehen lassen.

Xpeng P7
Achim Hartmann

Was passt also nicht am XPeng? Knapp gesagt: das Fahrwerk. Schlägt es sich bei den Fahrübungen auf dem Testgelände noch recht beachtlich, so sorgt es auf weniger ebenem Geläuf für Verdruss.

Beim Ein- und Ausfedern zeigt der Aufbau nicht nur heftige Vertikal-, sondern auch seltsame horizontale Wankereien, die bei empfindlichen Mitfahrern Unwohlsein hervorrufen können. Zudem agiert die Lenkung scheinbar völlig losgelöst von Fahrbahnkontakt und spürbarer Rückmeldung. Fahrspaß kommt so jedenfalls nicht auf, da war sich die Testcrew rasch einig.

Der Angreifer aus Shenzhen

Dass so etwas auch besser klappen kann, zeigt der BYD Seal, wenngleich er ebenfalls nicht durch fahrfreudiges Verhalten auffällig wird. Doch die Lenkung wirkt weit weniger verloren als im P7. Und dem Fahrwerk gelingt es besser, eine Balance zwischen Federungskomfort und griffigem Fahrverhalten zu finden.

BYD Seal
Achim Hartmann

Dafür zeigt sich der BYD antriebsseitig nicht ganz so gut aufgestellt. Seine Ladetechnik an Bord kann nur mit vergleichsweise trödeligem Tempo aufwarten. Lediglich 150 kW (laut Werk) gesteht sie dem Seal an der DC-Säule zu. Was im wahren Leben dazu führt, dass meist mit kaum mehr als 100 kW geladen wird. Wer vornehmlich an Wechselstrom-Säulen mit 11 kW lädt, wird sich daran wohl weniger stören. Immerhin verfügt der Seal über eine brauchbare Reichweite: Mit dem Inhalt seiner 82,5-kWh-Batterie kommt er auf der Eco-Runde 490 km weit. Die Fahrleistungen fallen ebenfalls sehr beachtlich aus, der BYD bewegt sich etwas flotter als der VW und der XPeng.

Was indes für alle vier E-Wagen in diesem Test – und generell für alle Stromer – gilt: Die Antriebe bieten zwar ansehnliche Spitzenleistungen zwischen 168 (Ioniq 6) und 230 kW (Seal), bei den Dauerleistungen zeigt sich jedoch ein anderes Bild. Die liegen zwischen 56 (Ioniq 6) und 89 kW (ID.7). Das erklärt auch die weniger wild schäumende Fahrdynamik jenseits der 120 km/h. Da sind alle vier deutlich zäher unterwegs, bevor nach etwas Anlauf die (abgeregelten) Topspeed-Werte zwischen 180 (BYD und VW) und 200 km/h (XPeng) erreicht werden – mit sich dabei rapide entleerenden Akkus.

BYD Seal, Cockpit
Achim Hartmann

Womit wir wieder beim BYD sind, der mit dem höchsten Eco-Konsum (18,2 kWh/100 km) aufwartet. Etwas knauseriger zeigen sich VW und XPeng mit 17,1 und 17,4 kW. Besonders sparsam ist der Hyundai unterwegs, ihm reichen 14,8 kWh/100 km – das ist klasse!

So ganz sind wir mit dem Seal allerdings noch nicht durch. Der fällt, ähnlich wie der XPeng, mit verwirrender Bedienung und ebenso nervender wie nur mäßig applizierter Assistenzausstattung auf. Zudem fehlt ihm eine schnelle Zugriffsmöglichkeit auf die Rekuperationseinstellung, sie muss aufwendig über den mittigen Screen aufgerufen werden. Auch der sehr selbstsicher zugreifende Spurhalteassistent erweist sich als gewöhnungsbedürftig. Besonders auf schmaleren Straßen ist es nicht ganz ungefährlich, wenn der Assistenzrechner spontan beschließt, einer tatsächlichen oder imaginierten Linie auf dem Asphalt zu folgen.

BYD Seal
Achim Hartmann

Und wer sich auf die adaptive Temporegelung verlässt, wird dabei nicht selten von der Erkennungs-Software verlassen. Wobei es, das muss man ehrlicherweise zugestehen, bei den meisten Konkurrenten kaum besser klappt. Die offenbar mit der sprichwörtlich heißen Nadel zusammengeklöppelten Assistenz-Applikationen finden sich in ähnlichen Ausprägungen auch beim XPeng.

Der Schönling aus Seoul

Ähnliches Nervpotenzial bietet völlig unnötigerweise der Hyundai Ioniq 6. Für ihn scheinen sich die Koreaner eine besonders lästige Art des ISA-Warners ausgedacht zu haben. Das von der EU vorgeschriebene System bimmelt bei jeder registrierten Änderung des Tempolimits und dazu bei jeder Überschreitung – und zwar ab 1 km/h drüber.

Hyundai Ioniq 6
Achim Hartmann

Ja, es lässt sich deaktivieren, doch nur per vollständiger Stilllegung der Geschwindigkeitserkennung. Was auch dazu führt, dass die adaptive Geschwindigkeitsregelung nicht verfügbar ist. Ob das tatsächlich im Sinne der Gesetzgebung und der Verkehrssicherheit ist? Man weiß es nicht. Da wir nun bereits bei den Eigenschaften sind, die verhindern, dass der Hyundai ähnlich viele Punkte sammelt wie der Volkswagen: Der Ioniq 6 bremst – verglichen mit den Mitbewerbern – unterdurchschnittlich. Ein Bremsweg von über 38 Metern aus 100 km/h zum Stillstand ist nicht mehr konkurrenzfähig. Erst recht bei einem Fahrzeug, das mehr als 50.000 Euro kostet.

Hyundai Ioniq 6
Achim Hartmann

Ansonsten erweist sich der Ioniq 6 als E-Limousine mit überwiegend erfreulichen Eigenschaften. Der Antrieb geht, wie bereits erwähnt, äußerst sparsam mit der im Akku gebunkerten Energie um. Ebenso weiß der Hyundai an der Ladesäule zu brillieren. Dank der 800-V-Technik und maximal 240 kW Ladeleistung (Werksangabe) ist er schon zur Weiterfahrt bereit, wenn die anderen Limousinen noch am Energietropf hängen – ein kaum zu überschätzender Vorteil bei Langstreckenfahrten. Freilich wartet der Ioniq-Antrieb wie erwähnt mit der geringsten Leistung auf. Was dazu führt, dass es spürbar betulicher vorwärtsgeht. So benötigt der Mittelklässler aus Korea für das Durchbeschleunigen von 80 bis 120 km/h eine Sekunde mehr als der muntere BYD (4,7 zu 3,7 s). Das ist vor allem gefühlt eine sehr lange Sekunde. Überholmanöver auf der Landstraße wollen vorausschauend angegangen werden.

Hyundai Ioniq 6
Achim Hartmann

Was der Hyundai noch zu bieten hat? Ein originelles Design mit Coupé-artiger Anmutung beispielsweise. Die allerdings zulasten der Fondpassagiere geht, weil sie sich mit dem beengten Einstieg und der knappen Kopffreiheit auseinandersetzen müssen. Ebenfalls nur mäßig: die Sitze. Das Fahrwerk bietet angenehmen Komfort, bleibt aber mit seiner recht straffen Grundabstimmung dem sportlichen Look der Limousine verpflichtet. Jedoch ohne dass deswegen fahrdynamisch Überragendes geboten würde.

Der Sieger aus Wolfsburg

Sollten Sie bis hierher durchgehalten haben, lieber Leser, wird es Sie kaum überraschen, dass der VW ID.7 das Spielfeld als Sieger verlässt. Unter Fußball- und Galoppsport-Freunden dürfte man gar von einem Kantersieg sprechen. Denn der Punktevorsprung der Wolfsburger E-Limousine fällt sehr deutlich aus.

VW ID.7
Achim Hartmann

Das liegt vor allem an der Ausgewogenheit des ID.7, er hat sie mit den meisten anderen Produkten des Hauses Volkswagen gemeinsam. Der VW erlaubt sich in kaum einer Disziplin große Schwächen – womöglich mit Ausnahme der Preisgestaltung. Der Listenpreis des ID.7 Pro liegt mit 53.995 Euro auf Augenhöhe mit der Konkurrenz, aber der aquamarinblaue Testwagen führt Extras im Wert von rund 18.000 Euro mit sich. Allerdings, auch das gehört zur Wahrheit, gewänne der VW vermutlich auch mit viel weniger Sonderausstattungen an Bord.

Unter anderem, weil sein Fahrwerk nicht nur sehr spürbar angenehmer und komfortabler federt als jenes der Konkurrenten. Es arbeitet darüber hinaus agiler, exakter und fahrfreudiger. Natürlich hilft ihm dabei die optionale DCC-Regelung, die es im Exterieur-Plus-Paket zusammen mit (unter anderem) Matrixlicht sowie Progressivlenkung für 3.605 Euro extra gibt.

VW ID.7, Cockpit
Achim Hartmann

Sogar bei der Bedienung sind Fortschritte zu verzeichnen. Wobei sich weiterhin darüber diskutieren lässt, ob die kleine Geschwindigkeitsanzeige hinter dem Lenkrad, die kombinierten Fensterhebertasten oder der Touchflächen-Lichtschalter zu den großen Erfindungen des Konzerns gehören. In jedem Fall aber verfügt der VW als Einziger im Testfeld über eine wirklich verständnisfreudige, gut nutzbare Spracherkennung.

VW ID.7, Infotainment
Achim Hartmann

Noch ein paar Kriterien gefällig, in denen der ID.7 die Mitbewerber übertrifft? Beim Raumangebot und der Nutzbarkeit beispielsweise. So bietet der VW vorn wie hinten die insgesamt luftigeren Sitzgelegenheiten. Und der Kofferraum ist nicht nur geräumiger, er lässt sich dank der langen Ladeklappe und der großen Fläche auch viel besser nutzen. Antriebsseitig ergeben sich keine so auffälligen Unterschiede, doch auch hier lässt sich sagen: Der VW ID.7 ist auf jeden Fall mit bei der Musik.

Von wegen Vorsprung

So bleibt von der gern kolportierten Überlegenheit fernöstlicher Elektromobile wenig übrig – genau betrachtet sowie auf unseren Straßen gefahren und getestet. Preiswerter sind in diesem Fall XPeng und BYD schon, doch dieser Vorteil geht auch zulasten der Feinabstimmung von Fahrwerk und Assistenten. Nicht dass die beiden Chinesen schlechte Autos wären – doch ihr Potenzial reicht in diesem Test nur, um sich dem Ioniq auf Schlagdistanz zu nähern. Von der Gesamtharmonie des ID.7 sind sie so weit entfernt wie ein Zweitliga-Stürmer von den Vollstreckerqualitäten des Miroslav Klose.

Technische Daten
VW ID.7 ProHyundai Ioniq 6 DynamiqBYD Seal DesignXPeng P7 RWD Long Range Long Range
Grundpreis54.105 €54.000 €48.990 €49.600 €
Außenmaße4961 x 1862 x 1536 mm4855 x 1880 x 1495 mm4800 x 1875 x 1460 mm4888 x 1896 x 1450 mm
Kofferraumvolumen532 bis 1586 l401 l453 l440 bis 915 l
Höchstgeschwindigkeit180 km/h185 km/h180 km/h200 km/h
0-100 km/h6,7 s7,4 s6,5 s
Verbrauch0,0 kWh/100 km0,0 kWh/100 km0,0 kWh/100 km0,0 kWh/100 km
Testverbrauch21,2 kWh/100 km18,7 kWh/100 km21,6 kWh/100 km