Lotus Emeya S im Test: 612 PS, 400-kW-Ladung & Alltagstauglichkeit

Lotus Emeya S im Test
Wie viel Lotus steckt im neuen Emeya?

ArtikeldatumVeröffentlicht am 23.08.2025
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Da haben sie einen echten Hingucker abgeliefert, in England, Hethel, wo Lotus sitzt. Oder in Deutschland, Raunheim, wo der Emeya entwickelt wurde. Oder in China, Wuhan, wo er gefertigt wird – Lotus gehört schließlich mittlerweile zum Geely-Konzern, so wie Smart, Volvo und Polestar. Ganz schön international, der Neue.

Kategorisieren wir ihn zunächst: Der Emeya ist eine rein elektrisch angetriebene Fließheck-Limousine und technisch mit dem E-SUV Eletre verwandt. Mit den zweisitzigen Mittelmotor-Helden der Marke, Elise und Exige, hat er nur den Anfangsbuchstaben gemein. Flach, leicht, klein – das war einmal. Aber auffällig, das ist auch heute noch. Möglicherweise liegt es am Knallgelb, dass der Testwagen so sehr aus dem Straßenbild herausleuchtet; jedenfalls ist der Neue ein Hingucker. Wobei einige seiner Aerodynamik-Kniffe erst auf den zweiten Blick auffallen: Öffnungen lassen Luft durch die Karosserie streichen, etwa im Bereich der Rücklichter.

Entdeckungsreise im Innenraum

Augenscheinlicher ist das Design im Inneren: samtig-weiche Oberflächen, matte Stoffe, griffiges Alcantara. Daneben lackierte Kohlefaserteile. Ja, das Auge hat viel zu entdecken. Schon ist man geneigt, der Qualitätsanmutung viele Punkte zuzusprechen, da fällt der Blick auf die Verkleidung der B-Säule: Hier ist der Bezug bereits durchgescheuert, schaut die darunterliegende Struktur durch. An der Beifahrerseite ebenso. Dabei hat der Testwagen noch nicht einmal 19.000 Kilometer auf der digitalen Uhr – weshalb man hier die Frage nach der Haltbarkeit durchaus stellen darf.

Apropos digitale Uhr: Hinter dem Lenkrad verläuft ein schmales Displayband; es präsentiert die wichtigsten Daten wie etwa das anliegende Tempo und die Restreichweite. Darüber, direkt im Blickfeld, das Head-up-Display mit einfachen, aber gut ablesbaren Anzeigen. Ein paar physische Bedienelemente finden sich auch, etwa für die grundlegenden Funktionen rund ums Fahren wie Scheibenwischer, Blinker und Lichtanlage. Den Rest entdeckt man im XL-Touchscreen, wobei die Menüstruktur nicht zu verschachtelt geriet. Kritikpunkt hier: Die kleinen Bedienfelder sind beim Fahren kaum ablenkungsfrei zu treffen.

Gefühl der Unsicherheit

Und da wären noch die optionalen Seitenkameras anstelle von Spiegeln, die für Abzug bei der Rundumsicht sorgen. Denn sie ermöglichen keinen Blick in die Tiefe; das Tempo herannahender Autos lässt sich nicht abschätzen, und es bleibt ein permanentes Gefühl der Unsicherheit beim Spurwechsel – im Zweifel lässt man erst den Hintermann vorbeiziehen.

Dabei könnte man so richtig in die Vollen gehen, denn man sitzt ja in einem Lotus. Schon die tiefe Sitzposition vermittelt Sportlichkeit. Und sportlichen Vortrieb versprechen die 450 kW unter den Hauben, 612 PS in alter Währung, abgegeben von gleich starken Permanent-Synchronmotoren von ZF an Vorder- und Hinterachse. Also schießen wir den Lotus Emeya gleich mal in den Orbit.

Lotus Emeya S
Achim Hartmann

Einen Startknopf braucht es heute nicht mehr, der Wagen ist mit dem Öffnen betriebsbereit. Einfach "D" einlegen, Vollgas, kurzes Anrollen, dann Schwummerdruck, 4,2 Sekunden von 0 auf Tempo 100. Wobei die Zahl des Standardspurts den dramatischen Schub nicht annähernd beschreibt, der sich über Tempo 80 hinaus entfaltet.

Schon wären wir mittendrin in einer Problematik, die sich die aufstrebende Elektro-Elite gerade selbst schafft: Man wuchert mit Leistung, die sich anders als bei Verbrennungsmotoren aber nicht aufbaut, sondern bei einem Zwischenspurt schlagartig entlädt – allenfalls Rennfahrer sind auf so einen Überfall vorbereitet.

Zwar lassen sich die 450 kW mit einem sensiblen Gasfuß fein dosieren, doch wer als Uneingeweihter grobmotorisch oder übermütig hineintritt, dem springt das Auto unter den Füßen weg. Gut, wenn da keine Kurve naht, über die der 2,5-Tonner hinwegschieben könnte. Trotz des permanenten Allradantriebs hat der Emeya nämlich seine liebe Not, die überbordende Vortriebskraft zu verwalten. Vor allem beim Herausbeschleunigen aus dem Scheitelpunkt landet mehr Drehmoment an der Vorderachse, als diese auf die Straße bringen kann, drängt der schwere Wagen Richtung Off. Man sollte die Vortriebsgelüste den physikalischen Begebenheiten anpassen, weil sich die enorme Masse dank des XL-Drehmoments eben nur geradeaus scheinbar spielerisch entlangwuchten lässt. Für Kurven dagegen empfiehlt sich ein lässiger Groove, akzentuiert von Lastwechseln, um den Emeya zum Eindrehen zu motivieren.

Lotus Emeya S, Außenspiegel
Achim Hartmann

Dabei irritiert zweierlei: das mittlerweile bei Neuerscheinungen fast schon pandemische eckige Lenkrad sowie mahlende Geräusche aus der Lenkung. Davon hätte man gerne weniger, an Momenten-Unterstützung dagegen mehr – vor allem aber mehr Rückmeldung hinsichtlich der Grip-Reserven. Zumal, wie bereits erwähnt, ungestüm angefordertes Drehmoment die vorderen Michelins schnell ins Schwitzen bringt. Auf einseitigen Unebenheiten zerren dann Antriebseinflüsse am Lenkrad. Während man diese niederringt, hört man den kurveninneren Reifen schuften und quieken.

Sinn fürs große Ganze

Schuften, passendes Stichwort. Auch die serienmäßige Zweikammer-Luftfederung legt sich so richtig ins Zeug, sobald sie auf Bodenwellen trifft, wirkt äußerst eifrig. Darüber geht der Sinn fürs große Ganze verloren: Zwar werden Senken gut eingesaugt, ohne dass die Karosserie stark ausfedert. Vielmehr setzt sie sich auffällig schnell wieder, wirkt teilweise sogar überdämpft, etwa auf kleinen Unebenheiten. Prallen jene mehrfach hintereinander auf die montierten 22-Zöller ein, gerät der Aufbau ins Zittern. Was auf schlechten Straßen ebenfalls auffällt: Poltergeräusche aus der Radaufhängung.

Lotus Emeya S
Achim Hartmann

Auf der Autobahn dagegen gefällt der Emeya mit saugender Spurhaltung, dürfte aber im soften Tour-Modus geschmeidiger anfedern. Ja, man würde sich eine dezidierte Langstreckenabstimmung wünschen, in welcher das Fahrwerk mehr Luft zum Atmen hätte und die Dämpfung weniger stramm anziehen würde.

Das würde den Reisekomfort verbessern, und hiervon sollte der Emeya als Fünf-Meter-Limousine reichlich bieten, da seine Fließheckhaube zum Beladen, nun, einlädt. Auch im Fond gibt es viel Platz, wobei es hinten an Oberschenkelauflage und Raum für die Füße mangelt: Sie passen nicht unter den Vordersitz. Diesen fährt der Fahrer selbstverständlich ganz herunter, weil er sich in einer sportlichen Limousine tief ins Geschehen involvieren möchte.

Zärtliches Antippen

Beim engagierten Involvieren muss man übrigens nicht nur den Gas-, sondern auch den Bremsfuß zügeln. Schon vermeintlich zärtliches Antippen des Pedals löst ruppiges Verzögern aus. Weiches Anhalten erfordert Konzentration.

Thema Sicherheitsausstattung und Assistenten: Fürs teilautonome Fahren nutzt Lotus das lasergestützte Lidar-System. Hierfür surren laut rauschend Sensoren aus Dach und Kotflügeln – wobei der Emeya mit den daraus gewonnenen Informationen recht eigenwillig umgeht. Automatisiert fährt er stets im leichten Slalom, selbst bei kerzengerader Spur. Schlimmer: In Kurven oder Baustellen steigt die Fremdsteuerung teilweise ohne Vorwarnung aus oder verzieht die Lenkung Richtung Hindernis – wer hier nicht wachsam reagiert, landet genau dort.

Lotus Emeya S
Achim Hartmann

Was noch auffällt: ein übereifriger Müdigkeitssensor und eine unterinformierte Verkehrszeichenerkennung. Besser, man dirigiert den Emeya selbst. Tut man dies im ruhigen Fluss, so sind Verbräuche um 21,6 kWh zu erwarten. Im Testdurchschnitt kommt der Lotus auf 26,1 kWh, was angesichts seiner Größe und seines sehr hohen Gewichts auf einen effizienten Antrieb schließen lässt. Aus brutto 102,2 kWh Strominhalt ließen sich so 413 Kilometer Reichweite generieren, sofern man den Akku (von CATL) völlig entleerte. 33 Minuten würde es dauern, ihn an einer 400-kW-Ladesäule wieder vollständig zu füllen.

Sechsstellige Beträge

Am Ende ein paar Worte zum Finanziellen. Klar ist, dass kein Kunde für den Emeya einen sechsstelligen Betrag hinlegen wird. Zu hoch ist die Unwägbarkeit des Wertverlusts bei E-Autos – was sogar für die elektrischen Produkte der deutschen Sportwagen-Elite gilt.

Hier, bei einem Newcomer, dürfte der Werterhalt noch stärker infrage gestellt werden. Newcomer? Ja, mit der Traditionsmarke Lotus hat die E-Sparte nur Namen und Logo gemein. Immerhin: Der Bekanntheitsgrad strahlt ab. Und das extrovertierte Design sorgt für Aufmerksamkeit. Das Interesse, vor allem der Straße, ist schon einmal geweckt.

Fazit

Technische Daten
Lotus Emeya S
Außenmaße5139 x 2005 x 1464 mm
Kofferraumvolumen509 bis 1388 l
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
Verbrauch20,1 kWh/100 km