Es geht eine Seuche um. Über die letzten Jahre verschwanden etliche Elektro-Meisterschaften nach kürzester Zeit wieder von der Bildfläche. Selbst einstige Hoffnungsträgerinnen wie die ETCR blieben nicht verschont. Die Stromer-Tourenwagen hielten gerade einmal zwei Saisons durch.
Der abschließende Autopsiebefund liest sich bei allen sehr ähnlich: Zu hohe Technik-Kosten gepaart mit einem eingestürzten Hersteller-Interesse und einem – mangels wachsender Zuschauerzahlen – überforderten Promoter führten zum vorzeitigen Tod. Oft wurde zwar ein Neustart rhetorisch erwogen. Keine Meisterschaft kam aber überhaupt nur in die Nähe eines Comebacks.
2025 erwischte es nun zwei Championate, welche eigentlich aus den Fehlern ihrer Artgenossen lernen wollten. Auf der Zweirad-Seite verkündete die MotoE ihr als Pause verklausuliertes Aus. Die 2018 vorgestellten Elektro-Bikes hatten an sich gute Vorzeichen: Etablierte Fahrer und die soliden Strukturen von GP-Teams verliehen früh eine gewisse Glaubwürdigkeit.
Als 2023 dann obendrauf das Powerhouse Ducati den Nischen-Ausrüster Energica ablöste und den FIM MotoE World Cup (2019 bis 2022) so zu einer waschechten WM beförderte, wuchsen die Hoffnungen. Schließlich waren sie allerdings vergebens.
Eine Serie steht für alle
Vor dem Grand-Prix-Wochenende in Misano zog der Ausrichter Dorna die Notbremse. Die Spanier erklärten mit dem Segen der Weltbehörde FIM: "Die MotoGP hört auf ihre Fans – die gegenwärtigen und die zukünftigen –, um ihnen das zu bieten, was sich mit ihrer Vorstellung von Sport und Unterhaltung am besten deckt. Dabei konnte sich die MotoE in ihren sieben Saisons nicht die nötige Fanbasis verschaffen. Parallel hat sich der Markt für leistungsstarke elektrische Motorräder nicht wie ursprünglich erwartet entwickelt."
Der Serienmanager Nicolas Goubert ging mehr ins Detail. "Wir haben in Europa, den USA, in Japan und China nachgeforscht: Nirgendwo besteht bei der Industrie Interesse, zukünftig solche Maschinen auf den Markt zu bringen. Die Batterieentwicklung und vor allem aber die Infrastruktur haben sich nicht in dem Maß entwickelt, wie es damals prognostiziert wurde, dazu machten sich andere alternative Antriebe und Treibstoffe besser. Die MotoGP wird mit hundert Prozent nichtfossilem Treibstoff fahren." Gouberts Schlussfolgerung fiel entsprechend unverblümt aus: "Solange das Umfeld für E-Sportbikes nicht gegeben ist, hat es wenig Sinn, dass wir diesen Pfad breittreten."

Reifen-Riese Michelin verliert mit dem Kahlschlag der MotoE ein wichtiges Testfeld.
Michelin bedauert Entscheidung
Während das Echo auf den digitalen Tribünen recht leise oder gar hämisch ausfiel, gab es dennoch einen echten Grabredner. Der treue Pneu-Partner Michelin bedauerte den Abbruch des Experiments. Und gab zu bedenken: "Die Serie erlaubte uns, Reifen für die Belange von Elektro-Motorrädern zu entwickeln und die Nachhaltigkeit auf eine neue Stufe zu bringen."
Zudem konnte der Sport die Fans, die sich nicht vom Verpflegungsstand oder den Toiletten verlocken ließen, durchaus unterhalten. Belohnt wurden sie vom intensiven Final-Wochenende 2025. Zur bitteren Wahrheit gehört aber ebenso: Die klischeehaft altertümliche Nachfolgerserie namens Harley-Davidson Bagger World Cup hat das Potenzial, um aus dem Stand ein Publikumsliebling zu werden. Obwohl sie wie die MotoE sicher nicht mit den glücklichsten Sendezeiten gesegnet sein wird.
Die Essenz unseres Hauptbeispiels lässt sich genauso aus dem zweiten der WRX gewinnen. Natürlich war die Ausgangssituation eine unterschiedliche. 2014 begann die Rallycross-Weltmeisterschaft noch mit Hardcore-Verbrenner-DNA. Die Hersteller erzwangen erst die Elektrifizierung und knüpften daran gigantische PR-Träumereien.

Die Formel E konnte bei den Fans immer noch nicht überzeugen.
Fans nehmen Elektro-Motorsport nicht an
Als die Marken dann den immer gleichen Zwiespalt aus Technik-Aufwand und unterwältigendem Fan-Ertrag realisierten, kam der Abschied. Plötzlich standen die unbeirrbar loyalen Privatiers allein vor ihren beeindruckenden Vierrad-Pionieren. Diese zu betreiben, kam allerdings einer Privatinsolvenz auf Raten gleich. Die FIA öffnete über die "Battle of Technologies" – also Sprit und Strom im direkten Wettbewerb – die Hintertür. Aus der gut gemeinten Idee wurde das erwartete Politikum. Auch abseits der Technik gelagerte Probleme rissen die WRX in den Abgrund. 2026 erfolgt die EM-Rückstufung – mit Verbrennern.
Bemerkung am Rande: Die vermeintliche Offroad-Alternative der Extreme E existiert zwar noch, setzt aber nun auf Wasserstoff-Antriebe. Was blieb, ist das ziemlich überschaubare Interesse am Weiterdreh des Formel-E-Gründers Alejandro Agag.
Entweder riesig oder winzig
Was bedeutet das für die verbliebenen Spezies im Stromer-Tierreich? Seine Königin Formel E erlebte nach dem knapp umgangenen Pandemie-Kollaps zuletzt weitere Rückschläge. Durch den Abgang von McLaren schrumpfte die Population vorerst auf 20 Renner. Obendrauf kamen die Sorgen um Maserati, welche schließlich der Einstieg der Stellantis-Schwester Citroën teils entkräftete. Zusätzliche Probleme finden sich bei einer ungewollten Kalender-Fluktuation und – besonders in Deutschland – verwirrenden TV-Konstellationen. Die undankbare Aufgabe, die Beliebtheit zu steigern, grenzt so an eine Mission impossible.
Dabei wäre die Umsetzung gerade jetzt so wichtig wie nie zuvor. In zwölf Monaten startet die vierte Auto-Generation mit bis zu 600 Kilowatt (circa 816 PS) Spitzenleistung. Die meisten Beteiligten – darunter Porsche mit dem viel diskutierten zweiten Team – arbeiten hart für den Erfolg.
Dass es trotzdem lebendige Nischen gibt, zeigen der ADAC Opel GSE Rally Cup und der aus dem DTM-Programm bekannte NXT Gen Cup. Beide Pokale unterstreichen die Sinnigkeit auf Einsteigerlevel – und die Beliebtheit bei Auflagengebern wie Städten oder Kommunen. Hierzu passt, dass Elektro-Formate im Jugendbereich ihre Vorzüge haben – beispielsweise E-Motocross. Genau dort könnte die Zukunft des Ökosystems liegen: Makroorganismen wie die Formel E und die vom ADAC vorgeschlagene XT1 und eben Breiten- bzw. Jugendsport-Mikroorganismen.







