Der Konstrukteurspokal ist längst eingetütet. Schon in Singapur, sieben Rennen vor dem Saisonende, war es so weit, dass sich die Konkurrenz rechnerisch aus dem Kampf um den Team-Titel verabschieden musste. Die Dominanz auf Rennstallebene lag weniger am überragenden Auto, sondern mehr an der Tatsache, dass McLaren als einziges der Spitzenteams zwei gleichwertige Top-Fahrer aufbieten konnte.
Es schien nur noch die Frage, welcher der beiden Piloten sich McLarens ersten Fahrertitel seit 2008 (Lewis Hamilton) ans Revers heften durfte. Und wann die Krönung des neuen Champions vollzogen wird. Kurz nach der Sommerpause sah noch alles nach Oscar Piastri aus. Doch dann zündete Lando Norris den WM-Turbo, der ihm einen fast uneinholbaren Vorsprung einbrachte.
Doch so einfach war es dann doch nicht, wie wir mittlerweile wissen. Zak Brown und Andrea Stella standen offenbar in einem geheimen Pakt mit Netflix, um sicherzustellen, dass die Spannung bis zum letzten Rennen nicht nur lebt, sondern Vollgas gibt, die Kerbs mitnimmt und zwischendurch einen kleinen Drift hinlegt. Drive to Survive – die Chaos-Edition!
Spannung braucht Opfer
Deshalb wollen wir die Gelegenheit nutzen, an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön nach Woking zu schicken. McLaren hätte die Weltmeisterschaft theoretisch schon viel früher entscheiden können. Aber warum sollte man das tun, wenn man stattdessen eine Saison voller orangefarbener Kabinettstückchen produzieren kann? Auch schlechte Publicity ist Publicity – das wusste schon Bernie Ecclestone.
Wir blicken noch einmal zurück auf unerklärliche Pannen, auf groteske Slapstick-Einlagen und verpasste Möglichkeiten. Nicht eingehen wollen wir dabei auf die vielen kleinen Strategie-Patzer, verkorkste Undercuts, die verlorenen Start-Duelle gegen Max Verstappen oder Fehlerchen im Qualifying, die bessere Startplätze vermasselten. Schließlich gab es genug dicke Klopper, um ganze Bücher zu füllen.
So richtig los ging die Pannenserie schon vor der Sommerpause in Montreal. Hier wurde Teamwork mal ganz anders interpretiert. Kurz vor der Zielflagge fühlte sich Lando Norris inspiriert, die Belastbarkeit des McLaren-Hecks wissenschaftlich zu testen – ausgerechnet am Auto seines Teamkollegen. Dass sein Rennen danach beendet war? Kollateralschaden. Spannung braucht Opfer.

Statt die WM einzutüten, leistete sich McLaren im Endspurt einen Patzer nach dem anderen.
Öl überall, Leistung nirgendwo
In Zandvoort gab es gleich die nächste Null für den Engländer. Norris erlebte eine Ölkatastrophe der anderen Art. Zunächst dachten alle, dass Motoren-Partner Mercedes für die hydraulische Selbstentleerung verantwortlich war. Doch Stella musste nach dem Rennen ein klassisches Eigentor zugeben. Ein Leck, das mehr Druck aus dem WM-Kampf nahm als aus dem Öl-System. Piastri schien schon eine Hand am WM-Pokal zu haben.
Nur eine Woche später wurde in Monza Boxenstopp-Bingo gespielt. Schnelle Schrauber können einem Team ein Rennen gewinnen. Oder, im McLaren-Modus, ein Rennwochenende in eine Seifenoper verwandeln. Ein Patzer beim Service von Norris führte dazu, dass Piastri plötzlich Strategiematerial wurde. Einige Experten behaupten, der Australier habe sich heute noch nicht davon erholt, dass er damals in Führung liegend zurückgepfiffen wurde.
Im fulminanten Übersee-Endspurt machte McLaren dort weiter, wo man in Europa aufgehört hatte. Am Start zum Austin-Sprint dachte sich Piastri offenbar: Warum nur ein Auto verlieren, wenn wir zwei haben? Ein gewagtes Manöver in Kurve 1, und beide McLaren waren draußen. Und als wäre das nicht genug, fehlten im Rennen danach die Longrun-Daten. Die Folge: Aus Angst vor Unterboden-Schleiferei fuhren die Autos in Texas höher als ein Pick-up-Truck. Verstappen bedankte sich höflich und rollte im Schongang zum Sieg.

Teamchef Andrea Stella wollte es allen recht machen. Am Ende war aber keiner glücklich.
Am Boden zerstört
Doch noch immer war der Vorsprung in der Weltmeisterschaft beträchtlich. Deshalb wurde in Las Vegas richtig was weggerubbelt – sowohl von den Punkten als auch von den Unterböden. Was in Vegas passiert, bleibt auf dem Asphalt der Zockermetropole, weil die Titanbeschläge etwas zu bodenständig unterwegs waren. Beide McLaren disqualifiziert. Fast schon poetisch. Oder karmisch. Sicher aber: spannend.
Beim letzten Akt der komischen Oper spielte der Kommandostand in Katar Taktik-Roulette der etwas anderen Art. Eine Safety-Car-Phase ist für gewöhnlich ein Geschenk des Himmels. McLaren verzichtete auf Präsente und verweigerte den Gratis-Boxenstopp. Streng nach dem Motto: "Warum nicht draußen bleiben? Wird schon gutgehen." Ging es nicht. Piastri verlor den Sieg, Norris ein Podium, und wir Fans gewannen etwas viel Wertvolleres: einen weiteren Grund, die Saison bis zum letzten Meter zu verfolgen.












