Alter Unterboden, neues Setup für Max Verstappen: So schaffte Red Bull die Wende

Max Verstappen pflügt mit Setup-Wechsel auf Rang 3
So schaffte Red Bull die Wende

GP Brasilien 2025
ArtikeldatumVeröffentlicht am 10.11.2025
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Größer können die Gegensätze nicht sein. Start aus der Boxengasse, im Ziel auf dem Podest mit einer minimalen Siegchance sogar. Für Red Bull und Max Verstappen lief zwei Tage lang alles schief. Der siebzehnte Startplatz war das schlechteste Quali-Ergebnis seit vier Jahren. Und dann machte die Erfolgskombination am Sonntag alles richtig.

Es begann damit, dass man den Platz in der Startaufstellung aufgab, um mit neu abgestimmtem Auto und frischem Motor aus der Boxengasse zu starten. Der Poker ging auf. Verstappens Fahrt auf den dritten Rang wird in seiner persönlichen Geschichte genauso eine Sonderstellung einnehmen wie der Sieg von Startplatz 16 im letzten Jahr.

Red Bull war von Anfang an neben der Spur. Nach dem ersten Training schimpften die Fahrer, dass sie keinen Grip spürten und ihre Autos auf den Bodenwellen mehr in der Luft als auf dem Boden waren. Die Quittung gab es direkt mit dem sechsten Startplatz in der Sprint-Qualifikation. Verstappens kam zwar im Sprint als Vierter ins Ziel, doch Teamchef Laurent Mekies räumte ein, dass das Ergebnis schmeichelhaft war. Oscar Piastri war von der Strecke geflogen. Fernando Alonso hatte die Ferrari aufgehalten. Ergebnis der Analyse war, dass man die Autos zu tief und zu hart abgestimmt hatte.

Red Bulls Spirit ist volles Risiko

Also totale Kehrtwende. Vor der Qualifikation wurde die Unterboden-Spezifikation von Monza an Verstappens Red Bull geschraubt. Yuki Tsunoda blieb als Versuchskaninchen der letzten Entwicklungsstufe des Bodens treu, die in Mexiko debütiert hatte. Bei den Ingenieuren reifte jedoch der Verdacht, dass man mit dem Upgrade nicht das gewünschte Resultat erzielte. Schon in Mexiko kam Verstappen nicht für den Sieg in Frage.

Der Rückbau auf den alten Boden und die Umkehrung des Setups auf höher und weicher war ein Schritt zu viel. In der Qualifikation zeigte sich der Red Bull RB21 von einer noch schlechteren Seite. "Vorher waren wir nur im zweiten Sektor langsam. Danach überall", resümierte Sportchef Helmut Marko am Samstagabend.

Da war die Entscheidung schon gefallen, den Red Bull mit der Startnummer 1 ein zweites Mal total umzubauen, um endlich die Reifen in ihr Wohlfühlfenster zu bringen. Der alte Unterboden blieb dran. "Wir sind mit dem Setup ein großes Risiko eingegangen. Aber es blieb uns auch nichts anderes übrig", gab Technikchef Pierre Waché zu. Er ergänzte: "Das ist der Spirit dieses Teams. Wir agieren immer auf der Risikoseite."

Gleiches gilt für den Einbau der fünften Antriebseinheit. Ein frischer Motor kann gegenüber einer älteren Version bis zu zwei Zehntel ausmachen, doch laut Mekies ist es den Aufwand wert. "Es sind keine riesigen Unterschiede. Aber wenn alles so eng zusammen liegt, zählt das kleinste Detail." Kollege Andrea Stella von McLaren wunderte sich: "Wenn Red Bull den fünften Motor aus Performance-Gründen einbaut, zählt er zum Budget-Cap." Soll heißen: McLaren wundert sich, wie Red Bull trotz der aggressiven Upgrade-Politik und solchen Aktionen im Kostenlimit bleiben kann.

Max Verstappen - Red Bull - Formel 1 - GP Brasilien 2025
Jean Carniel via Getty Images

Reifenschaden als glückliche Fügung

Wie so oft traf Red Bulls letzte Patrone voll ins Schwarze. "Max hatte im Rennen ein Auto, das von einer normalen Startposition mit McLaren um den Sieg hätte fahren können", stellte Mekies fest. Verstappen hatte das Gefühl, in einem anderen Rennauto zu sitzen. "Wir waren in allen Stints bei der Musik. Kein Vergleich zu den Tagen davor. Ich bin stolz auf dieses Team. Es zeigt, dass wir nie aufgeben."

Nach Verstappens Husarenstück ging die Rechnerei los, ob nicht sogar ein Sieg möglich gewesen wäre. In der siebten Runde stand der Weltmeister zum ersten Mal an der Box. Ein schleichender Plattfuß zwang Verstappen zum Reifenwechsel. Wegen einer gerade aktiven VSC-Phase verlor er nur zwölf statt 22 Sekunden beim Reifenwechsel.

Was zunächst wie ein zusätzliches Handikap aussah, war für Red Bull eine glückliche Fügung. So wurde Verstappen schnell die harten Reifen los, die er bei seinem Start aus der Boxengasse bekommen hatte. Aston Martin zeigte im weiteren Verlauf des ersten Stints, dass die harte C4-Mischung unbrauchbar war. Waché meinte trotzdem: "Wenn wir ohne den Reifenschaden das Timing der Boxenstopps gut hinbekommen hätten, wären wir Zweiter geworden."

Max Verstappen - Red Bull - Formel 1 - GP Brasilien 2025
Sam Bagnall via Getty Images

Sieg möglich ohne dritten Stopp?

Statt eines langen ersten Stints, der ihn unter dem Strich mehr Zeit gekostet hätte als der zusätzliche Stopp, konnte Red Bull nun aggressiv planen. Zwei Stints auf Medium-Reifen über 27 und 20 Runden folgte ein kurzes Finish auf Soft-Reifen. "Der Schlüssel war", so Waché, "dass wir von allen Reifensätzen frische Garnituren zur Verfügung hatten."

Und trotzdem musste sich Red Bull die Frage gefallen lassen, ob der letzte Wechsel von Medium auf Soft nötig war. Zu dem Zeitpunkt lag Verstappen mit sieben Sekunden vor Lando Norris in Führung. "Unser Strategieprogramm hat Max in diesem Moment als wahrscheinlichsten Sieger geführt", erzählten die Mercedes-Ingenieure.

Waché widerspricht: "Wir mussten für die Aufholjagd unsere Reifen maximal fordern. Beim zweiten Satz Medium gab es bereits Anzeichen von Abnutzung. Nach unserer Kalkulation wäre der Reifen zum Schluss eingebrochen und wir wären noch auf den fünften Platz hinter Piastri abgerutscht."

Red Bull hat es auf jeden Fall mal wieder spannend gemacht. Die Achterbahnfahrt über die drei Tage überrascht, weil das Team seit der Sommerpause bei der Suche nach dem Setup wesentlich treffsicherer geworden war. Die Eigenheiten der Interlagos-Strecke und die kurze Vorbereitungsphase beim Sprint-Format machte die Aufgabe schwieriger. Das ließ Mekies nicht als Ausrede gelten: "Ich will weder der Strecke, noch den Umständen die Schuld geben. Wir müssen einfach schneller die beste Lösung finden. Hätten wir das Auto vom Sonntag schon am Freitag gehabt, hätten wir gewinnen können."

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