Heute schwelgen wir mal nicht in Bestwerten bei Drehmoment oder Beschleunigung, und es geht auch nicht um alternative Antriebe, Ladezeiten oder Reichweite (und falls doch, dann nur am Rande). Sondern um ein ganz normales Auto. Sofern man einen mehrfachen Vergleichstestsieger so nennen darf. Denn der ab Ende 2019 verkaufte Skoda Kamiq verkörpert so etwas wie automobile Vernunft. Einsteigen, losfahren, ankommen. Klappt ganz wunderbar, auch mit nur niedrigen dreistelligen PS-Zahlen – die knapp elf Prozent der gebraucht angebotenen Kamiq mit 90 oder 95 PS lassen wir hier mal unter den Tisch fallen. Und wer ein wenig sucht, findet sogar einen Erdgasantrieb oder einen Diesel. Die Zuverlässigkeit ist generell sehr gut, der ADAC bewertet den Kamiq besser als den Fabia und den VW T-Cross und durchweg grün. Die Überwachungsvereine jedoch sind weniger euphorisch, zu oft müssen sie verrostete Bremsscheiben an der Hinterachse sowie Ölverlust und verstellte Scheinwerfer monieren. Dafür sind sonstige Störungen selten, speziell an der Elektronik lässt sich vieles mittels aktueller Softwarestände beheben. Echte mechanische Defekte kommen dagegen kaum vor, die Benziner der Konzernbaureihe EA211 gehören zu den haltbarsten auf dem Markt.
Karosserie: Bekannte Basis
Dieser Charakter vereint den kompakten Tschechen mit seinen Geschwistern Seat Arona und VW T-Cross, die in zwei verschiedenen spanischen Werken vom Band laufen, während der Skoda am Stammsitz in Mladá Boleslav montiert wird. Allerdings nutzt er die etwas längere Bodengruppe des Scala, die einen größeren Radstand mitbringt und damit auch etwas mehr Platz drinnen. Im Kofferraum etwa finden mindestens 400 Liter Gepäck Platz, sowie 1395 Liter, wenn die Fondsitzlehnen umgeklappt werden. Das sind Werte, die schon in der Kompaktklasse überdurchschnittlich üppig ausfallen So geht es auch in der Fahrgastzelle weiter. Vorn wie hinten gibt es eine Menge Platz. Und zwar so viel, dass der Kamiq in einem Test gegen den nochmals größeren Karoq antreten musste. Ergebnis: Der große Bruder kann alles ein wenig besser, ist aber auch erheblich teurer, damals waren es mehr als 5000 Euro. Wer die nicht ausgeben will, wird jedoch im Kamiq nichts vermissen. So wie wir in unserer freundlichen Leihgabe des Skoda-Vertragshändlers Auto Burghardt in Bremen.

Länge läuft eben. Im Profil fällt auf, dass der Kamiq dank des etwas gestreckten Scala-Radstandes etwas länger ausfällt, als der durchschnittliche Stadt-Hopser. Das gewonnene Raumangebot ist enorm.
Innenraum: Hübsch gemacht
Es ist ein Kamiq 1.0 TSI aus dem Januar 21 in der seinerzeit mittleren Ausstattungsvariante Style, 110 PS, aufgehübscht mit allerlei Paketen, die Features wie den elektrischen Heckklappenantrieb oder ein volldigitales Cockpit mitbringen. Der Kilometerzähler steht auf rund 54.000, die Preisauszeichnung auf 18.890 Euro. Offenbar marktgerecht, denn nur wenige Tage später hat der Kamiq schon einen neuen Besitzer. Das mausgraue Äußere lockert der Innenraum mit einer hübschen, hell lackierten Design-Blende auf, die sich in die Horizontale des Armaturenträgers erstreckt. Das elegante Zweispeichenlenkrad – mittlerweile keine Seltenheit mehr bei Skoda – passt dazu. Sollten dessen Bedienwalzen mal streiken, hilft übrigens ein Softwareupdate. In Sachen Materialqualität erwartet die Insassen gewohntes. Hübsch geschäumte Kunststoffe bis zur Gürtellinie, darunter eher zweckmäßige Oberflächen mit einer guten Portion Hartplastik. Das ist im Kleinwagensegment, ob SUV oder nicht, völlig angemessen und erfreut unterm Strich auch noch mit einer sauberen Verarbeitung. Das Navi, in unserem Fall das Größtmögliche, lässt sich weniger souverän bedienen als die günstigeren Optionen mit Tasten und Drehknöpfen.

Gute Materialien, elegante Linien und ein paar auflockernde Kontraste: Das Kamiq-Cockpit besitzt zwar die Skoda-typische Ernsthaftigkeit, kommt dafür aber nicht unedel daher.
Motor: Drei- bis Vierzylinder
Der Basismotor mit 95 PS muss übrigens mit fünf Übersetzungen auskommen, wohingegen das Erdgasmodell G-Tec trotz oder wegen seiner phlegmatischen 90 PS deren sechs besitzt. Der Knauser-Kamiq ist auf dem Gebrauchtmarkt allerdings nur in homöopathischen Dosen zu finden. Zur Fertigstellung dieses Artikels waren es 37 Stück. Wir hingegen haben mit dem Einliter-Dreizylinder den Volumenmotor unter der Haube. Das Aggregat motorisiert ungefähr 55 Prozent der Kamiq. Und das macht es gut, es überspielt den fehlenden Turbowind beim Anfahren mit stämmiger Schwungmasse und dreht mit einsetzendem Ladedruck beschwingt hoch, untermalt von typischem Dreizylinder-Trommeln. Nicht mehr zu haben: die thermodynamisch effektivste Antriebsquelle, der Diesel. Der lief nur 16 Monate vom Modellstart bis Ende 2020, jedoch in einer stämmigen Version. Im Kamiq (und im Arona) durfte der 1.6 TDI 115 PS abgeben, im T-Cross hingegen nur 95. Bei Verbräuchen um 4,5 Liter wird der TDI zum echten 1.100-Kilometer-Auto, denn Skoda verweigert sich bisher dem Trend, absurd kleine Tanks zu installieren, um die Leergewichtsangabe zu senken. Der Kamiq bunkert 50 Liter Sprit. Der Diesel ist leider sehr selten, nur 48 Stück standen in den Angeboten. Wer einen hat, gibt ihn nicht gern wieder her. Ist ja auch kein Wunder, denn neben den geringen Verbrauch tritt eine fröhliche Munterkeit, unterstützt von der Sechsgang-Handschaltung oder dem Siebengang-Doppelkuppler. Und dazu kommt die Laufruhe von vier Zylindern. Es gibt im Kamiq aber noch einen zweiten Vierzylinder: die High-End-Motorisierung 1.5 TSI. Die Allzweckwaffe des VW-Konzerns arbeitet nach dem wirkungsgradsteigernden Miller-Verfahren; Ein- und Auslassnockenwelle sind verstellbar, und wenn gerade keine Leistung gefragt ist, knipst das Motormanagement die beiden mittleren Zylinder aus. Normverbräuche unter fünf Litern sind machbar, aber auch eine Vmax von 213 km/h. Denn im Kamiq findet die stärkste Version mit 150 PS Verwendung. Und sie ist gar nicht so selten, rund ein Drittel der Gebrauchten besitzt diesen Topmotor, davon wiederum 70 Prozent mit Automatik.

Viele Probleme gibt es hier nicht zu entdecken. Die Antriebe sind solide und durchweg empfehlenswert.
Getriebe: Schalten ist keine Strafe
Dabei ist das keine Strafe – die sechs Gänge lassen sich komfortabel verwalten. Die Seilzugschaltung ist zwar kein Ausbund an Präzision, dafür aber leichtgängig mit exakten Rastungen. Aber auch die Schaltgetriebe sind nicht frei von Macken, gelegentlich verlangt ein hakeliger Gangwechsel eine Feineinstellung der Schaltseite. Bitter wurde es im Baujahr 2020, als Lieferant VW reihenweise Schaltboxen mit verschmutztem Öl an Skoda lieferte. Die interne Serviceaktion läuft noch, bei Geräuschen aus dem Getriebe sollte man unbedingt auf einem Tauschteil bestehen und sich nicht mit einem Ölwechsel abspeisen lassen. Apropos Öl: Die lange Gesundheit der recht weitverbreiteten Automatikversionen mit Doppelkupplungsgetriebe steht und fällt mit dem regelmäßigen Wechsel des Getriebeöls alle 60.000 km, sowie mit einer überlegten Fahrweise. Im DSG schleift beim Anrollen die Kupplung, genau wie im Schaltgetriebe. Unbedachte Naturen, die das Auto im Stau ständig in Sub-Schrittgeschwindigkeit kriechen lassen, oder sich am Berg festschleifen, belasten Kupplung und Getriebe unnötig stark.

Die prinzipiell sehr angenehmen Schaltgetriebe können einem Fabrikationsfehler unterliegen, die DSG-Boxen mögen keine Falschbehandlung.
Fahrwerk: Gelassen gefedert
Wir schnüren munter durch den Bremer Stadtverkehr. Und wundern uns, wie es die dortigen Straßenbauer schaffen, jeden Kanaldeckel fünf Zentimeter tiefer als die Straßenoberfläche zu platzieren. Den Kamiq stört es nicht, mehr als ein dumpfes Plopp wird nicht hörbar, seine Radaufhängungen schlucken auch noch größere Unebenheiten, ohne sich zu verschlucken. Aber das erwartet man ja auch von einem SUV, selbst von einem kleinen. Dabei hilfreich: die Beschränkung auf 17-Zoll-Räder mit Reifen im Format 205/55. Sie bieten noch guten Abrollkomfort und wirken in den großen Radhäusern nicht zu ärmlich. Ab Werk waren auch 18-Zöller mit 215/45ern lieferbar, mit denen es deutlich rumpeliger zugeht. Wer aber den Kamiq auch mal abseits befestigter Straßen nutzen will, ist vermutlich mit den 16-Zoll-Standardrädern am besten bedient. Zwar ist der kleine Skoda kein echter Geländewagen, aber kurze Überhänge und reichlich Bodenfreiheit lassen ihn in Wald und Flur weiterkommen, als es ihm die meisten zutrauen. Es gibt sogar einen Triebwerk-Unterbodenschutz (90 Euro), der die empfindliche Ölwanne abschirmt. Nur auf Allradantrieb muss man verzichten, aber den bieten auch die Geschwister von VW und Seat nicht.

Der Kamiq fährt in erster Linie handlich und agil, bleibt dabei jedoch meistens komfortabel. Wir sagen meistens, weil allzu große Felgen dann doch ein wenig den Komfort verhageln.
Mängel: Hält die Technik?
Doch nun die wichtigste Frage bei einem Gebrauchtwagen: Hält die geballte Technik? Die Antwort fällt insgesamt positiv aus, denn nach dem Steuerketten-Debakel bei den Vorläufermotoren hat sich VW offenbar am Riemen gerissen und die Haltbarkeit verbessert. Und damit meinen wir nicht den Zahnriemen, der in allen Motoren die Ketten ersetzt und einen Wechsel erst nach 240.000 Kilometern verlangt (210.000 Kilometer beim TDI). Wobei das ein theoretischer Wert sein dürfte, denn in der Praxis dürfte sich vorher die Wasserpumpe verabschieden – was nahelegt, im Zuge dessen Riemen und Spann- sowie Umlenkrolle gleich mitzuersetzen. Weitere Baustellen an den Motoren sind selten, und bisher gibt es auch nur wenig Langstreckenerfahrungen. Die meisten Kamiq haben noch fünfstellige Tachostände, bei denen noch keine Probleme mit verstopften Abgasrückführungen und versotteten Ansaugbrücken auftreten sollten. Auch das Doppelkupplungsgetriebe besitzt eine hohe Reife, die allerdings nicht vor Bedienfehlern schützt. Die liegen vor, wenn die Doppelkupplung früh verschlissen ist, was zumeist am langen Schleifenlassen in Situationen wie dem Anfahren am Berg liegt. Allerdings existieren auch banale Ursachen für manche Störungen, zum Beispiel in der Elektrik. So gab es reihenweise lockere Massekabel, die für Startprobleme und interessante Lichteffekte der Anzeigen sorgten. Kontaktflächen säubern und festschrauben, empfiehlt Skoda hier. Ebenfalls nicht selten waren Defekte am Notrufsystem eCall. In den Baujahren 2019 und 2020 wurden zunächst die Steuergeräte getauscht, später genügte dann ein Update. Und was man sich für die Zukunft merken sollte: Skoda schreibt die Erneuerung des eCall-Steuergeräts alle 14 Jahre vor. Kosten: circa 650 Euro. Die ersten Kamiq sind dann in acht Jahren so weit. Doch vielleicht wird diese Anweisung bis dahin noch revidiert. Bei den Airbags hieß es anfangs auch, dass sie alle zehn Jahre erneuert werden müssten; heute ist das kein Thema mehr. Und zu einem vernünftigen Auto wie dem Skoda Kamiq passt so eine kostspielige Anweisung auch nicht.

Wie so manche Elektro-Sperenzchen am Kamiq kann das Kombiinstrument aufrund kleinerer Kontaktschwierigkeiten im Bereich des Sicherungskastens ausfalllen. In der Werkstatt ist das nicht ganz unbekannt.
Preise: Günstig im Unterhalt
Besonders billig ist der Kamiq trotz aller Vernunft nicht: 12.000 Euro sind schon anzulegen, wenn der Tachostand unter 100.000 Kilometer liegen soll. Billiger sind nur die Erdgasmodelle, wohingegen die seltenen Diesel Aufschlag kosten. Jüngere Gebrauchte sind oft so teuer, dass sich auch der Blick auf eine Tageszulassung lohnen kann. Die sind gerade jetzt, nach dem Jahreswechsel, häufiger zu finden. Dafür ist der Unterhalt günstig. Nicht nur beim Verbrauch, sondern auch in der Versicherung schont der Kamiq den Geldbeutel seines Halters. Als 1.0 TSI mit 115 PS ist er in der Haftpflicht in Typklasse 12 eingestuft. In der Teilkasko liegt er in TK 12, in der Vollkasko in TK 17.