Es sind diese kleinen Gags, bei denen wir uns vorstellen können, dass die verantwortlichen Porsche-Ingenieure immer unwillkürlich lächeln müssen, wenn sie das Datenblatt des neuen 911 Turbo S in der Hand halten. 711 PS: Das klingt nach einer beliebigen Zahl, aber es war – so haben wir aus vertraulicher Quelle erfahren – schon Absicht, die Stuttgarter Telefon-Vorwahl (0711) zu "zitieren". Ein verspielter Text-Einstieg für ein Auto, das im Verlauf dieses Artikels gar nicht mehr so verspielt scheinen wird. Trotzdem ist die Leistung damit ja buchstäblich ein Witz. Hihihi.
Doch jedes noch so vergnügte Kichern dürfte verstummen, wenn die Zahlen auf besagtem Datenblatt ihren Weg durch die Hirnwindungen ins Bewusstsein gefunden haben. Haben Sie schon mal versucht, in 2,5 Sekunden 25 Meter weit zu rennen? Nun raten Sie mal, für wen das kein Problem ist. Um das Performance-Potenzial weiter einzuordnen, hier noch eine Zahl: 14. So viele Sekunden schneller ist der neue Turbo S auf der Nordschleife verglichen mit seinem Vorgänger. Fahrer Jörg Bergmeister, der die 07:03:92 Minuten in den Asphalt gebrannt hat, ist noch heute einigermaßen baff. "Das Auto ist 85 Kilogramm schwerer geworden und davon merkst du überhaupt nichts." Und das will schon was heißen bei einem Sportwagen, der vollgetankt und inklusive Fahrer immerhin 1.710 Kilo auf die Waage bringt.
Der Antrieb
Wer jetzt ein überteuertes GTS-Derivat wittert, mit dem Porsche lediglich die Marge nordwärts schrauben will, der irrt. Zwar teilen sich Turbo S und GTS t-hybrid einige Antriebskomponenten, doch die Unterschiede sind größer als die Gemeinsamkeiten. Der Motorblock und die LFP-Batterie mit 1,9 kWh (netto) aus 216 Rundzellen sind gleich. Dazwischen legt Porsche alles neu auf.
Pleuel, Kurbeltrieb, Steuerzeiten – alles neu. Letztere bewusst asymmetrisch für einen noch schärferen Sound. Die E-Maschine im PDK-Gehäuse leistet mit 60 kW derer 19 mehr als im GTS. Noch wichtiger aber: Nicht einer, sondern zwei E-Turbolader sorgen für die giftige Zwangsbeatmung des 3,6-Liter-Boxers. Während Kompressor- und Turbinenrad im GTS-Lader mit 83 bzw. 80 mm Durchmesser arbeiten, sind die Lader im Turbo S kleiner. Kein Wunder – schließlich muss jeder nur drei Zylinder versorgen. Mit 73-mm-Kompressorrädern und 65-mm-Turbinenrädern sind sie aber immer noch 10 mm größer als im Vorgänger-Turbo-S. Jeder der beiden E-Turbos rekuperiert zudem über die jeweils zwischen den Rädern platzierte E-Maschine 14 kW aus dem Abgasstrom. Die Batterie als Pufferspeicher macht hier ein Wastegate – wie schon im GTS – überflüssig.
Der Energiefluss im System unterscheidet sich je nach akuter Anforderung. Geht es um maximale Beschleunigung, werden die Turbolader mit Prio 1 bestromt. Bei konstant hohen Geschwindigkeiten revanchieren sich die Lader über ihre Rekuperationsleistung, die dann an die E-Maschine im Getriebegehäuse geht. Der Akku hat zu diesem Zeitpunkt Pause.
Das Achtgang-PDK musste Porsche etwas verstärken, um es für den Schlagabtausch mit den 800 Newtonmetern Systemdrehmoment zu wappnen. 188 davon steuert die E-Maschine bei. Krasser ist allerdings der Drehzahlbereich, über den sich die volle Kraft erstreckt. Zwischen 2.300 und 6.000 Umdrehungen liegt ein Drehmoment-Plateau, das mitverantwortlich dafür sein dürfte, dass vom Moppel-Gewicht am Steuer nichts zu spüren ist. Mit 8,4 Sekunden ist der 992.2 Turbo S eine halbe Sekunde schneller auf 200 km/h als zuvor. Erst bei 322 km/h ist Schluss. Die volle Leistung von 711 PS liegt zwischen 6.500 und 7.000 Umdrehungen an.
Bremsen und Reifen
Aus großer Kraft erwächst große Verantwortung – das wusste schon Spidermans Onkel Ben. Um den Marvel-Kalenderspruch an dieser Stelle zu rechtfertigen, sei die Bremsanlage erwähnt. Serienmäßig stattet Porsche den Allrad-Elfer mit der Carbon-Keramik-Bremse PCCB aus. Mit einem Scheibendurchmesser von 420 mm vorn und 410 mm hinten handelt es sich um die bis dato größte Bremsanlage dieser Art, die je einem Serienelfer Einhalt gebieten durfte. Dazu kommt mit 325/30er Reifen auf 21-Zöllern an der Hinterachse eine 10-mm-Verbreiterung der Aufstandsfläche. Vorn bleiben die Dimensionen mit 255/35 R20 identisch zum Vorgänger.
Aktive Aerodynamik
Eine weitere Gemeinsamkeit mit dem GTS sind die neuen Scheinwerfer, die nun alle Leuchtfunktionen in einer Haupteinheit vereinen. Was das mit Aerodynamik zu tun hat? Nun, die aufgeräumtere Front bietet damit Platz für die vertikalen Lamellen unterhalb der LEDs, die je nach Kühlungsbedarf von Bremsen und Antrieb öffnen oder schließen. Ein aktiver Frontdiffusor, eine variable Bugspoilerlippe sowie der ausfahr- und kippbare Heckflügel bilden das weitere Luftleit-System des Top-Porsches.
In der effizientesten Stellung sinkt der Luftwiderstandsbeiwert des Turbo S verglichen zum Vorgänger um rund zehn Prozent. Damit landet er bei einem cw-Wert von hauchzart unter 0,3. Dazu gibt es noch ein kleines Technik-Schmankerl an der Front. Im Wet-Mode schließen die Kühlklappen, um die vorderen Bremsscheiben vor übermäßigem Spritzwasser und damit einer reduzierten Bissigkeit zu bewahren.
Fahrwerk
Das 400-Volt-System hat, ebenfalls analog zum 911 GTS t-hybrid, auch im Turbo S mehrere Jobs. Es steuert zusätzlich die elektrohydraulische Porsche Dynamic Chassis Control (PDCC), die vor allem für eine Reduktion von Wank-Bewegungen sorgt. In über Kreuz verschalteten aktiven Koppelstangen wird je nach Fahrsituation der entsprechende Druck aufgebaut, um für Stabilität zu sorgen. Das optionale Nose-Lift-System wird ebenfalls über den Hochvolt-Akku gesteuert und spricht damit schneller an als bisherige Systeme.
Ausstattung und Preise
Der Turbo S ist teuer, keine Frage. Das Coupé startet bei 271.000 Euro, für das Cabrio sind mindestens 285.200 Euro fällig. Die gute Nachricht: Profis erkennen den Turbo S dafür gleich als solchen. Karosserie und hintere Spur sind sichtbar breiter, die Frischluft-Öffnungen vor den Hinterrädern obligatorisch. Als Designakzent ist die Farbe "Turbonit" einzig den Turbo-Modellen vorbehalten und hüllt Fensterleisten, Wappen und Schriftzüge in ein edel-dunkles Anthrazit.
Ebenfalls serienmäßig verbaut Porsche eine Sport-Abgasanlage aus Titan (Endrohrblenden und Verrohrung selbst). Die Blenden gibt es in Form einer angedeuteten liegenden Acht oder auf Wunsch auch im bekannten Oval-Look. Im Innenraum kommt ebenfalls die Akzentfarbe Turbonit zum Einsatz. Dazu spendiert Porsche ein spezielles Carbon-Dekor mit eingelegten Neodyme-Fäden, die golden aus der Struktur schimmern. Ein perforierter dunkler Dachhimmel rundet die Gesamterscheinung ab. Ab Werk liefern die Zuffenhausener den Turbo S ohne Rücksitze aus. Wer sie trotzdem haben will, erhält sie ohne Aufpreis.
Was die technische Ausstattung betrifft, hatten wir die Keramik-Bremse bereits erwähnt, die Wankstabilisierung ebenfalls. Beliebte Extras wie PASM-Fahrwerk, HD-Matrix-Scheinwerfer und Sport-Chrono-Paket sind ebenfalls standardmäßig mit von der Partie. Wer es ausgesprochen sportlich mag, kann sich die Leichtbau-Schalensitze hineinkonfigurieren, doch mit Blick auf das übliche Nutzungsprofil des Turbo S dürfte die Nachfrage gering bleiben. Apropos Leichtbau: Diverse Zusatz-Carbon-Elemente wie Dach, Spiegelkappen und sogar Wischer-Arme gibt es ebenfalls gegen Aufpreis.
Wer das Glück hat, in diesem Fahrzeug eine für sich realistische Option gefunden zu haben, der darf ab sofort bestellen. Die ersten Auslieferungen sind rund um den Jahreswechsel 2025/2026 zu erwarten. Ein schöner Start ins neue Jahr also, der auch den Kunden das ein oder andere vergnügte Kichern entlocken dürfte. Und sei es bei dem Gedanken an die Transformation der Stuttgarter Telefon-Vorwahl in eine PS-Angabe.












