EV1: GM will dieses E-Auto totschweigen, aber ein Fan will es zulassen

GM-EV1-Restauration
Enthusiast will das „verbotene“ E-Auto zulassen

ArtikeldatumVeröffentlicht am 22.11.2020
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Der US-amerikanische Elektro-Ingenieur und Youtuber Declan Kavanaugh möchte mit seiner Firma Electrek Garage den kürzlich im Rahmen einer Zwangsversteigerung für erstaunliche 104.000 Dollar (aktuell umgerechnet zirka 89.830 Euro) verkauften GM EV1 in einen Neuzustand versetzen – und zulassungsfähig machen. Damit wäre dieser EV1 einer der ganz wenigen fahrbereiten und der weltweit einzige straßenzugelassene.

Hersteller GM wirkt bis heute so, als wolle er den EV1 vergessen machen – auf unsere Anfrage zu dem Projekt hat der Hersteller zumindest bisher nicht reagiert. Dabei haben die GM-Ingenieure seinerzeit mit dem Elektroauto eine echte Pionierleistung vollbracht – Autos, die gezielt auf den E‑Antrieb hin entwickelt waren, gab es damals nicht von etablierten Herstellern, schon gar nicht in Serie. Die extreme Aerodynamik des EV1 mit einem bis heute bei Serien-Pkw unerreichten Luftwiderstandsbeiwert in Höhe von 0,19, sein leichter Aluminium-Spaceframe und ein für die damalige Zeit beeindruckender Elektroantrieb mit Rekuperations-Funktion haben ihn zu einem technologischen Vorreiter gemacht. Und zum Betriebsgeheimnis eines Konzerns, der sich später selbst von seiner bahnbrechenden Entwicklung distanzierte.

Restauration GM EV1 durch Declan Kavanaugh
Declan Kavanaugh / Electrek Garage / https://youtu.be/ahcvx1L1oBo?si=Y55vTzXF9Sr281is

Vom Hoffnungsträger zum Phantom

Der EV1 war nie zu kaufen, sondern zwischen 1996 und 1999 nur zu leasen – vermarktet unter der 2010 eingestellten GM-Marke Saturn, durften insbesondere kalifornische Promis das kleine Elektroauto nutzen. 2002 hat GM dann das Projekt auf dramatisch wirkende Art beendet. Der Konzern holte die meisten Fahrzeuge zurück, deaktivierte sie oder ließ sie verschrotten. Einige Besitzer sollen sich förmlich an ihren EV1 geklammert haben, andere Nutzer waren erbost, als sie von der Verschrottung erfuhren – GM soll sie bei der Rückgabe für an den Autos entstandene Schäden zur Kasse gebeten haben.

Nur einige wenige EV1 überlebten als museale Schaustücke oder Forschungsobjekte, selten noch fahrfähig, fast immer ohne vollständigen Antriebsstrang. Die genaue Zahl der heute noch existierenden EV1 scheint nicht bekannt zu sein – Restaurator Kavanaugh geht von 50 Exemplaren aus. Einige hätten die damaligen Besitzer einfach nicht zurückgegeben – wer diese Besitzer sind und wo sich die Autos befinden, ist geheim. GM selbst soll auch mehrere aufbewahren – einer davon ist nach Kavanaughs Angaben sogar fahrbereit.

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Tom Hanks war sauer

Die radikale Rücknahme und Vernichtung der Autos durch GM erregte Proteste, Verschwörungserzählungen und letztlich den Mythos – verstärkt durch die Hollywood-Dokumentation "Who Killed the Electric Car?" aus dem Jahr 2006 (aktuell nicht per Flatrate, sondern nur bei großen Einzelabrufdiensten per Leihe oder Kauf abrufbar). Wie viele andere Nutzer, wollten sich schließlich auch weltberühmte Schauspieler wie Tom Hanks und Mel Gibson nicht von ihrem EV1 trennen. So betont es das Museum Autovision im baden-württembergischen Altlußheim, das vor mehr als 15 Jahren selbst über ein paar Monate einen EV1 ausstellen durfte. Auch aus diesem Exemplar hatte GM wichtige Antriebs-Komponenten entfernt und dem Museum die strenge Auflage erteilt, das Auto nicht fahrfähig zu machen, wie uns ein Museums-Vertreter auf Nachfrage mitteilt. Außerdem wollten die Amerikaner ihre Leihgabe wohl eher zurückhaben als ursprünglich vereinbart.

In Hollywood war das Entsetzen über GMs Verhalten und als Reaktion darauf die Bereitschaft zu einer umfassenden filmischen Aufarbeitung der Geschehnisse groß. Zudem ist Hollywood-Schauspieler Tom Hanks ohnehin ein Elektroautofan – in einem Video von 2007 fährt er unter schwärmerischen Kommentaren seinen AC Propulsion E-Box, einen auf Elektroantrieb umgebauten xB von Toyotas 2016 eingestellter US-Tochtermarke Scion.

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Ein Fund auf einem Abschlepphof – und ein sechsstelliger Auktionspreis

2025 tauchte plötzlich ein einzelner EV1 auf einem Abstellplatz in Atlanta auf. Als "verlassenes Fahrzeug" von der Polizei eingezogen, landete er bei einer Zwangsversteigerung – mit eingeschlagener Frontscheibe, fehlenden wichtigen Komponenten und unklarer Historie (anscheinend hatte GM den deaktivierten EV1 der Clark Atlanta University gespendet – und die Uni hat das Auto nach ein paar Jahren einfach komplett vergessen). Das machte den Weg frei zu einem rechtlich sauberen Eigentumserwerb. Die Auktion begann bei 400 Dollar (zirka 346 Euro), verharrte erst tagelang, um explosionsartig anzuziehen. Am Ende fiel der Hammer bei den besagten 104.000 Dollar – und für alle, die sich mit der Verboten-Aura des EV1 auskannten, war das Auktions-Ergebnis dann eben doch keine übermäßig große Überraschung.

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Warum dieses Auto eine Straßenzulassung bekommen könnte

Der versteigerte EV1 ist offenbar der einzige, der rechtlich die Chance hat, wieder zugelassen zu werden, weil er nicht GM gehört. Der Käufer ist geheim – Kavanaugh versichert uns gegenüber nur, dass es sich dabei um einen Freund handele, der sich das Auto finanziell locker leisten konnte. Kavanaugh selbst ist auf die Herstellung von Akkupacks spezialisiert und arbeitet beim 2022 gegründeten Elektro-Truck-Start-up Telo Trucks. Er mag seltene Elektroautos und fährt unter anderem ein Electrek Uncar EV – dieses unter kräftiger Hilfe von Carroll Shelby entwickelte E-Auto war eines der ersten mit einer fremderregten Synchronmaschine und das erste, das Energie rekuperieren konnte. Sein Alltagsauto ist ein Coda des bis 2016 existierenden kalifornischen E-Auto-Herstellers Coda Automotive. An welchem Standort Kavanaugh an dem EV1 arbeitet, möchte er nicht verraten. Auch GM möchte er im Zuge der Restauration nicht um Hilfe bitten – Kavanaugh traut dem Konzern in dieser Sache nicht.

Der neue Eigentümer und E-Auto-Enthusiast Declan Kavanaugh wollen den EV1 exakt so restaurieren, wie er einst gebaut war. Keine Umbauten, keine Modernisierung, sondern eine vollständige Rekonstruktion mit originalgetreuen Komponenten. Dazu gehören Batteriepakete, das Batterie-Management-System (BMS), der Onboard-Lader, die induktive Ladeeinheit und verschiedene Elektronikmodule. Viele dieser Teile hat GM entfernt, gekappt oder unbrauchbar gemacht, um genau das zu verhindern: eine Rückkehr des EV1 auf die Straße.

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Ein technisches Puzzle aus dem vergangenen Jahrtausend

Während die als Stecksystem ausgeführte und "Magne Charge" genannte induktive Ladefläche und das dazugehörige 6,6-kW-Ladegerät auch im Toyota RAV4 EV der ersten Generation und im GM-Modell Chevrolet S10 EV auftauchten, sind andere bauartspezifische Teile nur schwer aufzutreiben. Die von einem einstürzenden Garagendach beschädigte Frontscheibe und das ebenfalls zerbrochene vordere linke Dreiecksfenster will der Spezialist nachfertigen lassen. Außerdem fehlen die Batterien und das Batterie-Managementsystem, dessen Wiederbeschaffung allerdings möglich ist, wie Kavanaugh auf Nachfrage betont. Der kalifornische Elektrokomponenten-Spezialist Thunderstruck Motors soll das Batterie-Management-System mit der Steuersoftware des Chevrolet S10 EV ausrüsten. Da die Steuerungs-Hardware des Chevrolet identisch ist, hofft Kavanaugh, dass auch die Chevrolet-Software dieselbe ist, wie GM sie beim EV1 verwendet hat.

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Nach Kavanaughs Einschätzung wird die Restaurierung zirka 50.000 Dollar (43.300 Euro) kosten. Im November 2026 soll der EV1 fahrbereit sein – am 14. November 1996, also 30 Jahre vorher, hat GM nämlich den ersten EV1 an einen Kunden übergeben. Im November 2027 möchte Kavanaugh die Komplettrestaurierung fertig haben – dann kommt endlich der große Moment mit der möglichen Straßenzulassung.

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Fazit