BMW M8 Comptetition & Mercedes AMG GT 63 im Test

BMW M8 Comptetition & Mercedes AMG GT 63 im Test
Ein Duell auf unfassbarem Performance-Niveau

Veröffentlicht am 15.12.2024

Auf den ersten Blick scheint der Drops gelutscht, bevor er ausgewickelt ist. Vollblut-Sportwagen gegen Power-Coupé, ein ungleiches Duell oder sogar: ein ungerechtes. Doch wie sagt der Brite: "Don’t judge a book by its cover." Frei übersetzt: Das äußere Erscheinungsbild lässt kein Urteil über den Inhalt zu.

Beginnen wir die Beweisführung mit BMW. Die Münchner haben vor einigen Jahren die Chance vertan, sich wieder einen eigenständigen Sportwagen anzueignen. Das Konzept war fertig, steht aktuell aber als gut gehütetes Was-wäre-wenn-Geheimnis in den Katakomben. Weil? Weil damals die i-Brand den Zuschlag für den Zweitürer mit Kohlefaser-Monocoque erhielt. Der Rest ist die Geschichte des BMW i8, der inzwischen ja seinerseits Geschichte ist.

Nur ist die Sehnsucht der M-Macher nach einem Sportwagen nie verflogen, sondern strahlt immer heftiger auf die regulären Modelle ab, die zwar allesamt Limousinen, Kombis oder im besten Fall eben Coupés sind, aber nur dem Anschein nach. Im Falle des M8 haben der variable Allradantrieb, die Competition-Zusätze, ein aktives Differenzial und das ruhmreiche Abstimmungs-Know-how ein Monster erschaffen, das sich bei Bedarf in seiner GT-Hülle einigelt, im Handumdrehen aber aus der Haut zu fahren vermag – wobei es zumindest nominell als Sportwagen aufstampft. Ich meine, das Trumm misst 4,87 Meter in der Länge, 1,91 m in der Breite, und es stellt 1.889 Kilogramm auf die Waage. Um damit schneller durch den 18-Meter-Slalom zu ballern als ein Porsche 718 Cayman GTS 4.0! 71,9 km/h im Schnitt. Himmel!

Neue Basis, neue Qualitäten

Im Hause Mercedes verläuft die Sportwagen-Story andersrum. Vor 14 Jahren hat man sich im Schulterschluss mit AMG zu einem Revival der Marken-Ikone schlechthin entschlossen. Das Ergebnis hieß SLS, ließ als Riesenschnauzer mit Flügeltüren keinerlei Zweifel an seiner Anlehnung an den 300 SL, evolutionierte alsbald jedoch zum dezenter gekleideten GT, der jüngst wiederum in seine zweite Modellgeneration aufbrach.

Optisch wirkt die Neuauflage wie eine direkte Fortsetzung, verschleiert mit ihrer geduckten Haltung jedoch die Tatsache, dass sie konzeptionell umgemodelt wurde. Oder besser gesagt: ihre einstige Alleinstellung zugunsten eines erhöhten Gleichteile-Anteils geopfert hat. Das Transaxle-Prinzip ist übern Jordan, der V8 sitzt auf statt wie zuvor hinter der Vorderachse, außerdem schaufelt die vergleichsweise konventionelle Basis haufenweise Gewicht ins Auto. 1.921 Kilogramm sind ein Plus von rund 250 gegenüber dem Vorgänger, schützen aber auch hier nicht vor fahrdynamischer Genialität.

Wie im BMW wird die Power variabel zwischen beiden Achsen verteilt, die Hinterachse lenkt mit oder gegen, ist ebenfalls aktiv gesperrt. Und während der M8 den Aufbau rein kinematisch beziehungsweise durch allerhand Kreuz-und-quer-Versteifungen in der Karosseriestruktur gegen Rollbewegungen abstützt, geht der GT mit einem proaktiven Anti-Wank-System gegen Karosserie-Eskapaden vor. Endeffekt: Mit 71,1 km/h im Slalom heizt auch er dem Cayman ein. Himmel! Zum Zweiten.

Das Fahrgefühl teilt

Doch obwohl sich beide auf ein ähnlich absurdes Fahrdynamik-Niveau katapultieren – die Fahrgefühle folgen eher dem jeweiligen Schein. Seinem großen Laderaum zum Trotz präsentiert sich der Mercedes- AMG GT im Moment des Reinschlüpfens wie ein Vollblut-Sportwagen. Man sitzt einen Tick höher als früher, die Haube ist kürzer und somit leichter zu erfassen, der Saugnapf-Effekt der Ergonomie bleibt jedoch in unverminderter Form erhalten. Die optionalen Rücksitze sind als solche kaum zu gebrauchen, die Instrumentendesigns entweder bieder oder abgespact, die Bediensatelliten unterhalb des Hupenknopfs dafür umso schlüssiger. Dass der Funke sofort überspringt, liegt aber primär an der hervorragenden Lenkung.

Im Gegensatz zum BMW M8 Competition, der aus der Mittellage heraus überaus fetzig anspricht, bei weiteren Winkeln aber im Feedback ausleiert, steckt man beim Benz wie mit Handschuhen in einer straff angebundenen Vorderachse. Überhaupt integriert einen der AMG fester ins Fahrerlebnis, baut über den kürzeren Radstand einen direkteren Draht zwischen Popometer und Hinterachse auf, die je nach Allradmodus entweder verlässlich stützt oder lässig auf der Power slidet. Okay, der rohe Charme des einstigen GT wirkt jetzt eher medium rare, auch finden sich anderswo im Schwabenländle drahtigere Sportwagen – aber keiner von denen, ich betone: keiner, liegt auch nur annähernd so satt. Ganz gleich, ob man den breitspurigen Apparat über den bröckeligen Asphalt der Alb-Sträßchen zimmert oder mit Vmax gleich 315 km/h die A 81 inhaliert: Der GT verspaxt sich zwischen Hand- und Laufflächen, schneist unbeirrbar voran, aber ohne davon sperrig oder bockelig zu werden.

Stimmt, wegen seiner konzeptionellen Verweichlichung und des unrühmlichen Gewichts hätte AMG eigentlich eine anständige Watschn verdient, allein es fehlt an triftigen Gründen, um auszuholen. Kritikpunkte? Vorhanden, aber nur oberflächlich. So gehört der Getriebewählhebel bei einem Sportwagen sicherlich nicht an den Lenkstock; auch müsste man die AMG-Entwickler fragen, was diese Gaspedalkennlinie soll, die nur im Race-Programm und im manuellen Schaltmodus stringent verläuft, sich ansonsten in der Überhöhung von Befehlen gefällt. Die ausfahrenden Türgriffe sind eine ergonomische Vollkatastrophe, aber ein geteiltes Leid mit allen Mercedes jüngster Stunde. Und wer ganz feine Ohren hat, wird sich womöglich daran stören, dass der Rhythmus des V8-Gebollers nicht immer hundertprozentig mit jenem des Motors korrespondiert, obenraus zudem von einem rappelnden Unterton begleitet wird.

Munich-Muscle-Car

Mehr Flair versprüht der BMW M8. Wobei "versprühen" eigentlich etwas milde ausgedrückt ist angesichts des gebotenen Power-Spektakels. Angestachelt von seiner kurzhubigeren Auslegung, ist der gut 400 Kubik üppigere 4,4-Liter-V8 das, was man eine Höllenmaschine nennen darf – im positiven Sinn. 40 PS Vorsprung pressen seine beiden Lader gegenüber dem AMG heraus, den die 32 kg Gewichtsvorteil im Nachkommabereich noch ein bisschen ausdehnen. Vom Fahrersitz aus wirkt der Abstand aber noch mal deutlich größer. Nicht dass der AMG GT 63 hühnerbrüstig anschöbe. Im Gegenteil, auch er hängt für einen partikelgefilterten Turbomotor mit phänomenaler Spontaneität am Gas, entfesselt das höhere Drehmoment und dreht für sich genommen kernig aus. Im BMW scheint sich technische Exzellenz jedoch mit Zügen der Tollwut zu vermischen. Kraft wird nicht entfaltet, sie feuerwalzt quer durchs Drehzahlspektrum. Das Teillast-Brodeln wird dabei zu herrischem Brüllen angefacht, obenraus packt die Big Band den Presslufthammer aus und prügelt einen, ohne nachzulassen, auf den Begrenzer zu.

Das Beschleunigungsduell verläuft den Eindrücken entsprechend. Bis 100 km/h gelingt es dem Mercedes-AMG auch dank der kürzeren Gangabstufung seines Neunstufengetriebes, ein Patt herauszuholen, danach wütet der M8 von dannen. Bei 200 hat er bereits 1,1 Sekunden Vorsprung aufgebaut, die sich bis 250 verdreifachen. Barbarisch ist aber nur der Vortrieb als solcher, im Umgang mit ihm wahren beide höchste Contenance. Will sagen: Reaktionen auf Lastwechsel bleiben ebenso präzise wie die Dosierbarkeit der Bärenkraft, die Wandlerautomaten geben sich je nach Modus entweder servil oder antörnend; und gemessen daran, dass die Adaptivfahrwerke zwei richtig dicke Brummer mit einem Affenzahn um die Hütchen peitschen, ist der Komfort geradezu sensationell.

Dank seines längeren Radstands bügelt der BMW faltige Strecken etwas glatter, während der Mercedes- AMG GT 63 Spur- und Längsrillen insofern besser absorbiert, als er die Spannkraft der Kinematik im Gegensatz zum strukturell querversteiften M8 auf Knopfdruck über aktive Hydraulik-Elemente statt Drehstab-Querstabilisatoren lockern kann. Doch selbst dann entwickelt der Mercedes noch mehr Zug in Lenkrichtung – womit wir in der kurvigen Passage dieses Vergleichstests wären.

Eins mit Stern im Handling

Je hitziger das Gefecht, desto stärker prägt sich der sportlichere Körperbau des AMG im Handling aus. Nicht nur wegen der innigeren Lenkung, sondern auch weil es ihm gelingt, den Menschen mit der Maschine zu verzahnen, während der M8, nun ja, bisweilen etwas sperrig wirkt. Der BMW überragt den GT zwar nur im Millimeterbereich, beginnt sich Richtung Limit aber sukzessive zu distanzieren. Mitverantwortlich: die Allradsteuerung. Anders als der AMG, der jede Aktion mit der erwarteten Reaktion kontert, schnappt der BMW gerade im 4WD-Sportprogramm recht hastig von Grip ins Übersteuern und wieder zurück.

Er verlangt dadurch mehr Kontrolle oder eben einen Switch in den zahmeren 4WD-Standard-Modus, wohingegen man im GT über die gesamte Einstellungsklaviatur hinweg so richtig in die Vollen drehen darf. Mit Händen und Füßen, ohne Rücksicht auf Haftungsverluste. Die Querdynamik ist derart überragend, dass sie im sportlichen Ernstfall einer Rundenzeit sogar die eklatanten Schubvorteile des M8 überkompensiert.

Die Gesamtwertung des Tests krallt sich dennoch der BMW M8 Competition – wenngleich mittels Kriterien, die abgesehen von der unglaublichen Bremsperformance eher weiche sind. So ist es am Ende Ihre Auslegungssache, lieber Leser, ob ein geräumigerer, aber keineswegs geräumiger Fondbereich ausschlaggebend ist im Duell zweier De-facto-Sportwagen, in denen Sie ohnehin nur vorne sitzen wollen.

Technische Daten
BMW M8 Competition Coupé M8 CompetitionMercedes AMG GT 63
Grundpreis185.400 €190.192 €
Außenmaße4867 x 1907 x 1362 mm4728 x 1984 x 1354 mm
Kofferraumvolumen420 l321 bis 675 l
Hubraum / Motor4395 cm³ / 8-Zylinder3982 cm³ / 8-Zylinder
Leistung460 kW / 625 PS bei 6000 U/min430 kW / 585 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h315 km/h
0-100 km/h3,2 s3,2 s
Verbrauch11,1 l/100 km
Testverbrauch12,1 l/100 km14,5 l/100 km