Interview Oliver Blume: Porsche-Chef spricht von neuem Hypercar à la 918

Oliver Blume im Interview
Porsche-Chef spricht von neuem Hypercar

ArtikeldatumVeröffentlicht am 09.10.2025
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Die Modellstrategie von Porsche wird nun sehr deutlich geändert. Nahezu alle Autohersteller korrigieren ihre Strategie und stellen sich flexibler auf. Was war für Sie der Auslöser dazu?

Porsche hat mit dem Taycan in der Elektromobilität frühzeitig Maßstäbe gesetzt. Als Pionier waren wir der Marktentwicklung hier ein Stück voraus. Der Hochlauf der E-Mobilität geht in den einzelnen Regionen aktuell deutlich langsamer voran als ursprünglich angenommen. Die Segmente sind immer noch relativ klein. In China findet die E-Mobilität vor allem im Volumensektor und mit einem sehr nationalen Fokus statt. In den USA sind die Kunden insgesamt deutlich zurückhaltender bei vollelektrischen Fahrzeugen. Deshalb haben wir mit Blick auf die Wünsche unserer Kunden entschieden, unser Angebot um zusätzliche Verbrenner- und Plug-in-Hybrid-Modelle zu erweitern – ganz bewusst: ergänzend zur E-Strategie. Das erhöht unsere Flexibilität.

Gerade im Luxussegment und auch bei den Sportwagen funktioniert die Elektromobilität überhaupt nicht. Worauf führen Sie das zurück, zumal die Fahrzeuge teilweise fantastische Eigenschaften aufweisen?

Elektromobilität funktioniert bei Porsche tatsächlich sehr gut – und sie passt hervorragend zu uns. Im ersten Halbjahr haben wir weltweit rund 24 Prozent vollelektrische Fahrzeuge ausgeliefert, in Europa sogar 36 Prozent. Damit gehören wir zu den führenden traditionellen Automobilunternehmen in der Transformation. Unter unseren weltweiten Kunden finden sich viele Fans dieser Technologie. Der neue Taycan und der vollelektrische Macan gewinnen viele Auszeichnungen.

In Kürze kommt der Cayenne Electric. Er wird nochmals neue Maßstäbe setzen – mit herausragenden Fahreigenschaften, hohen Ladeleistungen, einem innovativen Innenraumdesign und neuen digitalen Features.

Porsche prägt die Sportwagen-Welt seit mehr als 75 Jahren. Unsere Marke verbindet Tradition und Innovation, pflegt eine enge Beziehung zum Motorsport und verfügt über eine weltweit einzigartige Community. Viele unserer Fans wünschen sich auch in der Elektromobilität mehr Emotion. Da werden wir nachlegen – mit haptischen und akustischen Eindrücken, Porsche-typisch wie man sie aus der Verbrennerwelt kennt.

Die für die 30er Jahre vorgesehene Elektroplattform wird "neu terminiert". Dürfen wir uns auf neue Technologien freuen, die heute vielleicht nur gedacht werden? Stichwort Feststoffbatterie, Radnabenmotoren oder ganz andere Lösungen?

Neue Technologien beobachten und prüfen wir kontinuierlich – von der Feststoffbatterie bis hin zu neuen Antriebskonzepten. Entscheidend ist dabei nicht, was technisch machbar ist, sondern was den Porsche-typischen Anspruch erfüllt: maximale Effizienz, höchste Performance und ein unverwechselbares Fahrerlebnis. Nur Technologien, die diesen Maßstäben gerecht werden, finden den Weg in unsere Fahrzeuge.

Insbesondere im Bereich Batterie und Antrieb zeichnen sich derzeit sprunghafte Entwicklungen ab. Darüber hinaus gewinnen Software und Künstliche Intelligenz im Interieur und Infotainment an Bedeutung. Dabei steht die intuitive Bedienung während der Fahrt im Mittelpunkt. Bestes Beispiel hierfür ist die für den Cayenne Electric entwickelte neue Driver Experience "Porsche Digital Interaction".

Mit dem T-Hybrid 911 GTS baut Porsche ein herausragendes System. Leichtbau und Effizienz stehen im Einklang mit Emotion und Umwelt. Wollen Sie neben dem gerade vorgestellten starken 911 Turbo S auch andere Motoren entsprechend verbessern?

Mit dem hochinnovativen T-Hybrid-Konzept haben wir den Verbrennungsmotor in unserer Ikone, dem Porsche 911, auf ein noch höheres Niveau gesetzt. Der neuartige Performance-Hybrid erhöht den Fahrspaß und senkt gleichzeitig die Emissionen. Auch bei anderen Modellreihen werden wir dieses Prinzip mit innovativen Ideen weiterverfolgen. In welcher Form dies geschieht, hängt von der jeweiligen Plattform sowie den gesetzlichen Anforderungen ab. Der T-Hybrid könnte eine Option sein.

Die Stückzahlbringer Porsche 718 und Macan waren rein elektrisch geplant, der Macan E ist auf dem Markt, der 718-Nachfolger für 2027 (siehe Bildergalerie) vorgesehen. Werden ihnen hybridisierte Verbrenner zur Seite gestellt?

Um den Macan in jeder Dimension besser zu machen, haben wir uns frühzeitig entschieden, die Modellreihe vollständig zu elektrifizieren. Dazu stehen wir. Der vollelektrische Macan setzt in puncto Fahrleistungen, Fahrerlebnis und Design neue Maßstäbe. Er wird auch zukünftig ausschließlich voll-elektrisch angeboten werden. Gleichzeitig beobachten wir kontinuierlich die Entwicklung der Märkte und die Nachfrage unserer Kunden. Und wir passen unsere Produkt- und Unternehmensplanung entschlossen an die veränderten Rahmenbedingungen an. Aus diesem Grund planen wir im B-SUV-Segment (Macan-Größe, Anm. der Redaktion) für die Zukunft eine eigenständige Modellreihe mit Verbrenner- und PHEV-Antrieb. Das neue SUV soll spätestens zum Ende des Jahrzehnts auf den Markt kommen.

Unseren ersten vollelektrischen zweitürigen Sportwagen werden wir nach der Einführung des Cayenne Electric auf den Markt bringen. Es ist das Fahrzeug, das mich persönlich in den letzten Monaten vom Fahrerlebnis am meisten begeistert hat. Wir haben den Mittelmotor nachgebildet, indem wir den elektrischen Motor und die Batterien in die Mitte gesetzt und dadurch eine perfekte Gewichtsverteilung realisiert haben. Und das Auto trotzdem sehr leicht gemacht – es ist das pure Vergnügen. Die Porsche-Fangemeinde kann sich auf dieses Fahrzeug freuen. Es wird Maßstäbe setzen im Bereich sportlicher E-Mobilität. Auch vom Design her wird es ein gelungener Wurf.

Darüber hinaus prüfen wir aktuell weitere Investitionen in hochemotionale Verbrenner-Derivate am oberen Ende der Modellpalette. Perspektivisch könnten diese sportlichen Topmodelle eine Ergänzung zu unserem zukünftigen BEV-Portfolio im 718-Segment sein. Sie werden allerdings später an den Start gehen.

Die Baureihe über dem Cayenne wird nun zunächst als Verbrenner auf den Markt gebracht. Sicher wird dieses Fahrzeug dann mit einem V8-Motor angetrieben. Der aktuelle Motor ist gut, aber für die 30er Jahre braucht es sicher neue Ansätze. Gerade auch bei der Hybridisierung hätte Porsche ein Ass im Ärmel. Ist das die Richtung?

Wir zeigen bei Porsche seit Jahrzehnten, wie man Antriebstechnologien konsequent weiterentwickelt und mit innovativen Ansätzen neue Anforderungen bewältigt. Dabei schaffen wir es, die Messlatte immer ein Stück höher zu legen – und die für Porsche typische Emotionalität zu wahren. Der 911 ist das perfekte Beispiel. Sie können also davon ausgehen, dass wir bereits Ideen im Kopf haben, um unsere Kundinnen und Kunden auch mit diesem Fahrzeug zu begeistern.

Mit der Baureihe über dem Cayenne legt man im SUV-Segment vor. Was sind die Pläne für den Sportwagenbereich? Können Sie sich einen 918-Nachfolger vorstellen?

Leuchtturmprojekte wie der Porsche 959, der Carrera GT oder der 918 Spyder sind fester Bestandteil unserer DNA. Wir investieren auch weiterhin in hoch performante Sportwagen. Ein Beispiel ist der kürzlich präsentierte 911 Turbo S. Mit 711 PS bewegt sich das neue Spitzenmodell dank seines Biturbo-T-Hybrid leistungstechnisch auf Supersportwagenniveau. Auch im SUV-Segment sind wir mit dem kommenden Cayenne Electric auf einem Performance-Niveau, das bisher dem Supersportwagen-Bereich vorbehalten war. Zusätzlich prüfen wir aktuell verschiedene Fahrzeugkonzepte im GT- und Hypercar-Segment. Entscheiden werden wir auf Basis der Wünsche unserer Kunden, die bei uns immer im Fokus stehen.

Beim Thema eFuels war Porsche Vorreiter. Macht es jetzt nach der neuen Strategie nicht doppelt Sinn, da nachzulegen?

Porsche hat sich ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Wir wollen die durchschnittlichen Treibhausgasemissionen entlang der Wertschöpfungskette unserer Fahrzeuge reduzieren. Für Verbrennungsmotoren und insbesondere auch für die Bestandsflotte können synthetische Kraftstoffe über eine prozentuale Beimischung einen Beitrag zur Reduktion des CO₂-Ausstoßes von Fahrzeugen in der Nutzungsphase leisten. In der Pilotanlage unseres Partners HIF Global in Chile wird bereits jetzt mittels Windkraft der Rohstoff für die eFuels produziert. Die Anlage ist erfolgreich angelaufen, die Direct-Air-Capture-Technologie befindet sich im Aufbau. Wir nutzen die daraus hergestellten eFuels derzeit für eigene Zwecke und im Motorsport. Als Innovationstreiber haben wir mit unserer Pionierarbeit dazu beigetragen, diese Technologie einen entscheidenden Schritt voranzubringen. Jetzt sind Investoren und die Mineralölindustrie gefragt, um die Technologie im industriellen Maßstab auszubauen. Das setzt verlässliche politische Rahmenbedingungen voraus.

Fühlen Sie sich mit den nun getroffenen strategischen Entscheidungen für die Zukunft gut aufgestellt? Für was steht Porsche in der Zukunft?

Mit unserer überzeugenden Mischung aus Verbrennungsmotoren, Plug-in-Hybriden und batterieelektrischen Fahrzeugen wollen wir die gesamte Bandbreite an Kundenwünschen abdecken. Dank dieser maximalen Flexibilität sehen wir uns unabhängig von den jeweiligen Marktentwicklungen in den Regionen und damit robust aufgestellt. Porsche ist Emotion pur, Porsche ist Sportwagen – unabhängig von der Antriebsart. Das ist unser Anspruch – darauf zahlt die neue, deutlich ausbalanciertere Produktstrategie ein.

Das Interview führte auto motor und sport-Chefredakteur Michael Pfeiffer.

Vita Oliver Blume

Oliver Blume CEO VW Volkswagen Porsche
Bloomberg via Getty Images

Der 57-Jährige startete seine Karriere im VW-Konzern 1994 als Trainee bei Audi – direkt nach Abschluss eines Maschinenbaustudiums in seiner Geburtsstadt Braunschweig. Nach weiteren Stationen bei Seat und der Marke VW kam Blume 2013 in den Porsche-Vorstand, wurde zwei Jahre später dessen Chef. Seit 2022 ist er als Nachfolger von Herbert Diess zusätzlich Chef des Volkswagen-Konzerns.