Eigentlich müssten bei McLaren alle Warnglocken läuten. Max Verstappen kommt Oscar Piastri und Lando Norris in der Gesamtwertung mit Riesenschritten näher. Der Red Bull ist inzwischen so gut wie der McLaren. Beim Weltmeister läuft alles wie am Schnürchen, während die McLaren-Fahrer übereinander stolpern und alles Pech aufsammeln, was auf der Rennstrecke liegt.
Eigentlich wäre das ein Moment der Besinnung auf eigene Stärken. Stattdessen wird bei McLaren nach jedem Wochenende diskutiert, wer diesmal wieder Schuld hatte an der Verletzung der Papaya-Regeln, die viel simpler sind als viele glauben und mit dem Slogan zusammengefasst werden können: "Don‘t crash into each other." Übersetzt: "Fahrt euch nicht in die Kiste."
Wer solche Regeln aufstellt, muss auch darauf achten, dass sie eingehalten werden. Das ist zuletzt zwei Mal nicht passiert. In Singapur gab es nach dem Start eine leichte Kollision zwischen den McLaren-Fahrern, die Piastri den zweiten Platz gekostet hat. In Austin waren Norris und Piastri im Sprint Teil einer Karambolage mit vier Autos in der ersten Kurve, deren Schuldfrage nicht eindeutig geklärt wurde. Die Sportkommissare entschieden in beiden Fällen: Kein Handlungsbedarf.
McLaren urteilt anders als Sportkommissare
Das sehen die McLaren-Richter ganz anders. Beide Vorfälle wurden intern ausführlich diskutiert. In Singapur kam die Jury zu dem Schluss, dass Norris die Verantwortung für den Kontakt mit Piastri trug, auch wenn er Max Verstappen ausweichen musste. McLaren verhängte eine Sportstrafe. Piastri sollte den Rest der Saison in der Qualifikation das Vorrecht haben, die Reihenfolge festzulegen, in der die beiden Autos auf die Strecke geschickt werden. Man könnte auch von einer symbolischen Strafe sprechen.
Damit ist aber nach nur einem Rennen schon wieder Schluss. Auch der Austin-Crash kam auf den Prüfstand. Und da urteilte McLaren, dass Piastri durch den Spurwechsel als Reaktion auf den Verbremser von Norris eine Mitschuld an der Kettenreaktion trug. Durch die engere Linie traf Nico Hülkenberg mit dem rechten Vorderrad den McLaren mit der Startnummer 81 und schob ihn in das Schwesterauto.
Damit hob sich die Strafe für Norris wieder auf. Ab sofort wechseln sich die McLaren-Fahrer wieder damit ab, wer im Q1, Q2 und Q3 zuerst auf die Bahn geschickt wird. Bei Red Bull wird man sich darüber amüsieren, dass McLaren so viel Energie darauf verwendet, die Fahrer möglichst fair zu behandeln. Manche sagen, übertrieben fair.

McLaren sieht die Hauptschuld am Sprintcrash von Austin plötzlich bei Oscar Piastri.
Weiterer Tiefschlag für Piastri
Für Piastri ist das Urteil seines Teams ein weiterer Tiefschlag. Er räumte den Fehler zwar ein, aber es hatte den Anschein, dass es so vom Team gewollt war. Tatsache ist: Norris hatte massiv seinen Bremspunkt überschossen. Wo sollte Piastri hin? Wenn er den Weg ganz außen wählt, verliert er gleich mehrere Plätze.
Der Australier muss sich in letzter Zeit immer häufiger eine Frage stellen: Warum? Er ist der Mann, der seit dem fünften WM-Lauf in WM-Führung liegt, und doch drängt sich der Verdacht auf, dass sein Rennstall nicht im gleichen Maß hinter ihm steht wie hinter Norris. Da spielen natürlich auch noch die verunglückten Strategien in Imola, Spielberg und Budapest hinein und der Platztausch von Monza.
Piastri hat sich für die letzten fünf Rennen vorgenommen, die Uhren auf Null zu stellen. Was passiert ist, ist passiert. Er wird nur zu seiner Form zurückfinden, wenn er die Vergangenheit abstreift und sich auf seine mentale Stärke konzentriert. Deshalb wollte er auch nicht groß auf den unerklärlichen Zeitrückstand in Austin eingehen.
Das Team kommuniziert, dass nicht nur die Fahrzeugabstimmung in Bezug auf die Bodenfreiheit vom Optimum entfernt war, sondern dass der McLaren nach der Reparatur der Unfallschäden nicht in seiner besten Konfiguration in die Qualifikation geschickt wurde.

Warum war die Pace von Piastri in Austin so schlecht?
Schwache Rundenzeiten bleiben ein Rätsel
Das Gleiche trifft aber auch auf Lando Norris zu, der in freier Fahrt mindestens so schnell wie Max Verstappen fahren konnte. Piastri verlor pro Runde 0,3 Sekunden auf den Teamkollegen. Speziell in den schnellen Kurven. Möglicherweise hatte man es bei der Setup-Änderung am Samstag übertrieben, als man Piastris Problem in den langsamen Kurven lösen wollte.
Der WM-Spitzenreiter konnte sich seine eigene Leistung nicht erklären und fand seine eigenen Rundenzeiten schockierend. Nur in der Runde nach dem Boxenstopp spürte er Grip. Dann verlor er wieder Zeit in den S-Kurven.
Piastri beruhigt sich damit, dass er in seiner Karriere bereits zwei Mal unter schwierigen Vorzeichen um eine Meisterschaft kämpfen musste und diese schließlich doch noch gewann. "In der Formel 3 war es ähnlich, in der Formel Renault schockierend ähnlich. Ich habe mich trotzdem durchgesetzt. Das ist zwar keine Garantie, dass mir das diesmal auch gelingt, aber wenigstens eine Versicherung, dass ich unter Druck abliefern kann."












