Wie sahen die Vorbereitungen aus und wie ist die Herangehensweise an das Finale?
Norris: Genau wie bei jedem anderen Wochenende. Nichts ändert sich. Natürlich haben wir uns das letzte Wochenende noch einmal angeschaut, wie wir das immer machen. Es war ja offensichtlich, dass das wegen der Fehler nicht gut für uns gelaufen ist. Es gab aber auch weniger offensichtliche Dinge, die wir verbessern können. Sonst behandeln wir dieses Rennen intern genau wie alle anderen. Die Aufregung ist natürlich etwas größer.
Verstappen: Ich habe Zeit mit meiner Tochter verbracht und habe an der Planung für mein GT3-Programm nächstes Jahr gearbeitet. Und auch für mein Sim-Team haben wir für nächstes Jahr geplant. Ganz normale Dinge, bevor wir hier angekommen sind.
Piastri: Ich habe jetzt keine GT3-Teams organisiert, sondern Padel gespielt und alles ganz normal behandelt. Es waren ja gar nicht so viele Tage dazwischen. Ich hatte einen Marketing-Tag. Da hatte ich Spaß. Mehr war aber nicht.

Lando Norris reiste als Favorit nach Abu Dhabi. In der Pressekonferenz war von Druck aber nichts zu spüren.
Wenn Ihr an das Jahr zurückdenkt, an welche Zwischenfälle denkt Ihr dann, die Euch vielleicht den Titel gekostet haben?
Norris: Da gibt es immer Kleinigkeiten. Und es gibt einige offensichtliche Dinge auf meiner Seite. In Kanada habe ich es verpatzt. Da gingen einige Punkte verloren. In China hatte ich Pech im Qualifying. Auch mit dem Ausfall in Zandvoort hatte ich nicht gerade Glück. Die Disqualifikation war kein Pech. Da haben wir als Team einfach keine gute Arbeit abgeliefert. Es war also von mir und vom Team nicht immer ein guter Job, wie auch letztes Wochenende.
Verstappen: Es gab viele Rennen, bei denen wir nicht die Pace für Siege hatten. Aber jetzt sind wir hier. Ich kann stolz sein auf die Saison, die wir abgeliefert haben, und wie wir in der zweiten Hälfte zurückgekommen sind. Wir versuchen jetzt einfach weiter Spaß zu haben, bis es vorbei ist. Jetzt einen speziellen Moment zu nennen, ist schwer.
Piastri: Bei mir gibt es leider ein paar Momente, die zur Auswahl stehen. Aber das gilt eigentlich für jeden. Keine Saison wird jemals perfekt sein. Deshalb bringt es auch nichts, jetzt etwas herauszupicken. Es gab auch keinen Moment, der mehr wehgetan hat als andere.
Ihr versucht, dieses Rennen als normales Wochenende zu behandeln. Aber das ist es ja nicht. Sind Eure Eltern und Freunde hier? Dürfen die kommen?
Norris: Ich lade immer ein paar Freunde ein. Die unterstützen mich jedes Wochenende und feuern mich an. Ich greife in verschiedenen Situationen auf ihre Ratschläge und ihre Hilfe zurück. Egal ob wir gewinnen oder verlieren – es ist immer schön, die Momente zu teilen. Das mache ich jedes Jahr. Es ist also nichts Besonderes. Meine Eltern kommen auch zu vielen Rennen. Sie sind hier, weil es das Finale ist, nicht weil es gut oder schlecht oder was auch immer wird. Ich will einfach den Moment mit allen teilen, weil es auch ihnen Spaß macht.
Verstappen: Meine Eltern sind nicht hier. Mein Vater fährt in Afrika eine Rallye. Und mit meiner Mutter… es war einfach nicht geplant. Ich habe auch nicht geplant, bis zum Ende im Kampf um den Titel zu sein. Nach Zandvoort haben wir ein paar Sachen storniert. Jetzt sitzt meine Mutter zuhause mit den Hunden und ist happy. Man kann ja auch viel im TV sehen.
Piastri: Meine Familie ist vor Ort. Das ist ähnlich wie bei Lando. Es ist das letzte Rennen. Ich habe viel Zeit in meiner Rennkarriere ohne meine Eltern und Freunde verbracht. Es ist immer schön, wenn sie dabei sind. Ich weiß aber, dass es auch Fahrer gibt, die nicht wollen, dass Eltern und Freunde dabei sind.

Max Verstappen kennt die Situation, bis zum Finale um den Titel zu kämpfen.
Max, haben Deine Eltern Dir vor der Abreise noch etwas auf den Weg gegeben?
Verstappen: So sind wir nicht. Sie wissen, dass ich immer alles gebe, wenn ich im Auto sitze. Wenn ich mit ihnen rede, dann geht es um andere Dinge. Sie müssen mich also nicht motivieren. So funktioniert das nicht. Aber sie unterstützen mich immer. Meine Mutter zündet vor jedem Rennwochenende eine Kerze an. Aber sie vertrauen ihrem Sohn.
Lando, was passiert, wenn Du in den letzten Runden auf Rang vier direkt hinter Oscar liegst und Max das Rennen anführt? Erwartest Du von ihm, dass er Dich vorbeilässt, wenn es für ihn nicht mehr um den Titel geht? Wurde das diskutiert?
Norris: Nein, darüber haben wir nicht diskutiert. Natürlich würde ich das toll finden. Aber ich würde nicht darum bitten. Das muss Oscar entscheiden, ob er das machen will. Andersherum wäre es das Gleiche. Im umgekehrten Fall würde ich es wohl machen, weil ich einfach so bin. Aber ich kann das nicht entscheiden. Ich würde ihn nicht danach fragen, weil es keine faire Frage ist. Wenn Max dadurch den Titel gewinnt, dann ist das so. Glückwunsch an ihn. Das ändert nicht mein Leben. Er hat es dann einfach mehr verdient.
Oscar, hast Du darüber nachgedacht?
Piastri: Wir haben bis jetzt nicht darüber gesprochen. Ich habe noch keine Antwort darauf, bis ich weiß, was man von mir erwartet.
Was schätzt Ihr an Euren Teamkollegen?
Norris: Da gibt es Vieles, was man sagen kann. Ich mag besonders seine Einstellung. Er ist immer so ruhig und relaxt in jeder Situation. Er bleibt cool. Ich wünschte, das könnte ich auch. Das Wichtigste ist aber, wie man persönlich miteinander auskommt. Das ist nicht so einfach. Es reicht eine Entscheidung und dann ist es nicht mehr wie vorher. Das haben wir aber gut hinbekommen. Natürlich macht es uns das Leben etwas schwerer, wenn beide Fahrer um den Titel kämpfen. Das verkompliziert die Dinge. Wir haben beide einen ähnlichen Ansatz. Wir kommen an die Strecke und wollen beweisen, dass wir auf der Strecke besser sind. Wenn wir die Helme abnehmen, wollen wir das Leben genießen. Dafür habe ich viel Respekt. Wenn ich in zehn Jahren zurückblicke, werde ich wohl das Gleiche sagen.
Piastri: Ich beneide ihn um seine Auto-Kollektion. Da muss ich noch etwas aufholen. Ansonsten kann ich ähnliche Dinge sagen. Wir können das, was auf der Strecke passiert, immer hinter uns lassen und freundlich miteinander umgehen. Das erfordert von beiden Seiten eine gewisse Kooperationsbereitschaft.
Verstappen: Was ich von einem Teamkollegen will? Er sollte bei der Entwicklung des Autos helfen können. Man sollte sich untereinander gut verstehen. Freundlich, witzig, offen, so dass es keine Geheimnisse während eines Wochenendes gibt. Beide sollten das Team nach vorne bringen. Das ist das Wichtigste. Wenn man abseits der Strecke befreundet ist, dann ist das noch ein Bonus. Aber es ist nicht unbedingt notwendig, wenn man auf der Strecke professionell arbeitet.

Oscar Piastri hat nur Außenseiter-Chancen. Aber die Statistik spricht für ihn.
Max hat gesagt, dass seine Mutter immer eine Kerze für ihn anzündet. An Oscar und Lando: Haben Eure Mütter auch Rituale?
Piastri: Sie sagt mir jedes Mal, dass ich vorsichtig sein soll. Und sie mag es, wenn um mich herum keine anderen Autos fahren, was nachvollziehbar ist. Das mag ich auch. Aber sonst gibt es nichts Spezielles. Für meine Mutter und alle anderen, die aus Australien zuschauen, ist es ziemlich brutal, so lange wach zu bleiben. Das bedeutet viele schlaflose Nächte und einige schwierige Montagmorgen.
Norris: Meine Mutter macht verschiedene Sachen, zum Beispiel unterschiedliche Schuhe mit verschiedenen Farben. Sie macht aber nichts von dem, was Max erzählt hat. Sie sagt mir nur, dass ich mich von den anderen fernhalten und aufpassen soll. Die Mutter von Max war ja selbst Rennfahrerin. Sie versteht also etwas mehr davon als andere Mütter. Vielleicht sind die anderen deshalb etwas ängstlicher, weil sie nicht alles verstehen, was passiert.
Max war ja schon früher Mal in dieser Situation. Wie fühlt sich das im Vergleich zu 2021 an? Und an die McLaren-Fahrer: Wie geht Ihr mit dem Druck um?
Verstappen: Ich bin ziemlich entspannt. Ich habe ja auch nichts zu verlieren. Ich genieße es einfach, hier zu sein. Ich habe schon die ganze zweite Saisonhälfte genossen, wie wir das nach schwierigen Zeiten herumgedreht haben. Nach vielen Enttäuschungen ist das Lächeln zurückgekehrt. Alles, was jetzt kommt, ist ein Bonus. Wir versuchen, ein gutes Wochenende zu haben. Das macht die Sache ziemlich einfach. Und selbst dann habe ich es nicht selbst in der Hand.
Norris: Ich war natürlich noch nicht in dieser Situation. Momentan fühle ich mich aber gut. Ich denke überhaupt nicht darüber nach. Bis ständig die ganzen Fragen kommen. Ich versuche, Euch also so gut es geht aus dem Weg zu gehen. Aber es ist auch Teil des Jobs. Es ist nichts Neues. Es ist nichts, was mich schockieren kann. In den letzten drei Tagen habe ich etwas Golf gespielt, war mit Freunden zusammen und habe eine gute Zeit verbracht. Und ich freue mich schon darauf, dass es am Montag weitergeht – egal, ob ich dann einen Kater habe oder nicht. Auf der Strecke wird es genauso sein wie in den letzten Wochen. Da gab es natürlich Druck, aber ich habe mich wohlgefühlt im Auto.
Piastri: Ich bin auch relaxt. Ich war schon in Junior-Klassen auf der anderen Seite des WM-Kampfs und weiß, wie sich das anfühlt. Das war hart. Jetzt habe ich von uns Dreien am wenigsten zu verlieren. Nach dem Katar-Wochenende habe ich auch viel Zuversicht, dass ich gut abliefern kann. Es müssen natürlich ein paar Dinge zusammenkommen, bis ich Meister werde. Ich muss einfach schauen, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin. Und dann schaue ich, was passiert.
Frage an die beiden McLaren-Piloten: Wie werden die Daten dieses Wochenende geteilt? Arbeitet Ihr normal als Teamkollegen zusammen?
Piastri: Wir bauen eine Pappkarton-Wand zwischen uns auf! Nein, es ist so wie immer. Wir wollen das Auto so schnell wie möglich machen und am Ende gewinnen. Wir wollen immer die gleichen Möglichkeiten haben. So läuft es auch dieses Mal.
Max und Oscar haben gesagt, dass sie nichts zu verlieren haben. Frage an Lando: Hast Du als WM-Spitzenreiter am meisten zu verlieren? Und wie gehst Du damit um? Und an Max: Hilft Dir die Erfahrung von 2021?
Norris: Was die Position angeht, habe ich natürlich am meisten zu verlieren, weil ich oben stehe. Und ich werde mein Bestes geben, noch ein paar Tage da oben zu bleiben. Wenn es nicht klappt, versuche ich es nächstes Jahr einfach noch einmal. Es wird eine Zeit lang wehtun, so ist das Leben. Ich habe auch das Gefühl, dass ich nichts zu verlieren habe. Es ist ja nur ein Rennen um die Meisterschaft. In 30 Jahren werde ich wohl gar nicht mehr viel darüber nachdenken.
Verstappen: Der Pokal sieht immer gleich aus. Ich habe schon vier davon zuhause. Natürlich wäre es schön, wenn noch ein Fünfter dazukommen würde. Ich habe aber schon alles erreicht, was ich erreichen wollte. Alles, was jetzt kommt, ist ein Bonus. Ich mache einfach weiter, weil es mir Spaß macht. So gehe ich auch in dieses Wochenende. Ich glaube, dass wir noch nicht einmal das schnellste Auto haben. Aber es kann viel passieren, wie man ja auch schon in Katar sehen konnte.
An die beiden McLaren-Fahrer: Was würde der Titelgewinn für Euch bedeuten?
Norris: Dafür habe ich mein ganzes Leben gearbeitet. Es würde mir also die Welt bedeuten. Und auch allen, die mich in den letzten 16 Jahren bis zu diesem Punkt unterstützt und nach vorne gepusht haben. Es würde bedeuten, dass mein Leben bis jetzt ein Erfolg war und ich mir diesen Traum erfüllen konnte, den ich schon als Kind hatte. Es ist die Belohnung für viel harte Arbeit. Der Titel geht an denjenigen, der ihn am meisten verdient.
Piastri: Der Titel wäre schon richtig cool, wenn ich ehrlich bin. Bei mir dauert es aber immer ein bisschen, bis ich solche Dinge realisiere. Und die neue Saison startet ja schon in ein paar Wochen. Max kann da sicher mehr dazu sagen. Ich denke, dass man das schnell wieder hinter sich lässt und versucht, direkt das nächste Rennen vor der Brust zu gewinnen. Es wäre eine coole Leistung, aber ich will nicht zu viele Gedanken daran verschwenden. Mal schauen, was passiert.
Bei den letzten Finalen mit drei WM-Kandidaten hat immer der Drittplatzierte am Ende den Titel geholt. Kannst Du aus den Erfolgen von Kimi (Räikkönen) und Seb (Vettel) etwas Inspiration ziehen?
Piastri: Das ist eine schöne Statistik, wenn man in meiner Position ist. Aber nur, weil es in der Vergangenheit mal so gelaufen ist, heißt es nicht, dass es wieder so läuft. Ich verlasse mich sicher nicht darauf. Aber vielleicht gibt es mir ein etwas besseres Gefühl.
Dein Mentor Mark Webber hat hier gegen Seb das Finale verloren. Wäre ein Titel praktisch die Wiedergutmachung dafür?
Piastri: Nein, ich mache das nur für mich selbst. Wir Rennfahrer sind ziemlich egoistische Menschen. Wenn wir im Auto sitzen, geht es nur um unseren eigenen Stolz. Natürlich gehen noch viele andere Menschen diese Reise mit: die Familie, die Freunde, Manager, alle, die einen unterstützen. Aber am Ende macht man es nur für sich selbst. Mark würde es sicher gerne sehen, wenn ich gewinne. Aber ich denke jetzt nicht daran, dass es da etwas gibt, das man zurückzahlen kann.












