Das gab es bei Sauber schon seit zwei Jahren nicht mehr. Zwei Top-Ten-Platzierungen in Folge. 14 WM-Punkte in zwei Rennen. Beide Male fuhr Nico Hülkenberg aus eigener Kraft in die Punkteränge. Glückliche Umstände mögen ihm dabei den ein oder anderen Punkt geschenkt haben, es wäre aber so oder so ein zählbares Ergebnis geworden.
Man muss in der Lage sein, die Chancen zu nutzen, die einem das Rennen bietet, reflektiert Hülkenberg. Seit dem GP Spanien hat er wieder ein Auto, mit dem das möglich ist. Vor Barcelona half nicht einmal Glück. Doch jetzt zeichnet sich ein Trend ab. Sauber hat auf zwei höchst unterschiedlichen Rennstrecken gepunktet. Das hat nichts mehr mit Zufall zu tun.
Hülkenberg sieht dafür einen ganz klaren Grund: "Das Upgrade von Barcelona hat das Auto transformiert. Es ist besser ausbalanciert, berechenbarer, konstanter zu fahren. Und das schont auch die Reifen." Für den Unterschied sorgten ein modifizierter Frontflügel, aber vor allem ein neuer Unterboden und dafür adaptierte Seitenkästen und Motorabdeckung.
Q2 bleibt eine Hürde
Der Eingriff am Sauber brachte nur dezent mehr Abtrieb, doch der ist jetzt stabil. Deshalb ist der Fortschritt auf der einen schnellen Runde am Samstag schwerer zu erkennen als beim Marathon am Sonntag. Der Aufstieg ins Q2 stellt weiter eine Hürde dar, die für Nico Hülkenberg und Gabriel Bortoleto nicht einfach zu überspringen ist.
In den letzten beiden Grands Prix schaffte es jeweils nur ein Sauber-Pilot in die zweite K.O.-Runde. Der andere verfehlte das Weiterkommen immer nur knapp, was zeigt wie eng es im Mittelfeld derzeit zugeht. Hülkenberg scheiterte in Barcelona um 0,051 Sekunden, Bortoleto in Montreal um sieben Tausendstel. Da muss es dann schon eine gute Startrunde richten, um sich in Position für Punkteränge zu bringen.
Hülkenberg hatte sie in beiden Rennen. In Barcelona machte er vier, in Montreal zwei Positionen gut. Da spielt der Routinier seine ganze Erfahrung von 237 GP-Starts aus. Hülkenberg erkannte, wie sich in der ersten Runde von Montreal das Unheil vor ihm zusammenbraute: "Da haben der Albon und der Colapinto gut für mich gearbeitet. Ich habe gespürt, dass da gleich was passiert, habe einfach nur abgewartet und war darauf vorbereitet, wo die beiden Autos am Kurvenausgang landen. Dort habe ich sie kassiert."

Nico Hülkenberg spielte in Montreal mal wieder seine ganze Erfahrung aus.
Vier wichtige Überholmanöver
Der Platzgewinn war für Hülkenbergs Rennen entscheidend. Die Autos vor ihm haben sich schnell abgesetzt. "So hatte ich freie Fahrt und saubere Luft vor mir und konnte die Reifen gut verwalten." Den Boxenstopp für den Wechsel von Medium-Reifen auf die harten Reifen konnte der Rheinländer bis zur 19. Runde hinauszögern. So fiel er wieder in ein Loch ohne Autos vor ihm. Pierre Gasly fuhr sechs Sekunden weiter vorne.
Zu dem Zeitpunkt konnte sich noch keiner vorstellen, dass Hülkenberg das Rennen auf dem zweiten Reifensatz zu Ende fahren würde. 51 Runden schien ein bisschen verwegen. Zumal der Sauber-Pilot ab der 29. Runde dann doch wieder mit Verkehr zu kämpfen hatte, weil die Piloten auf der Alternativ-Strategie mit einem langen ersten Stint auf harten Reifen im Weg standen.
Jetzt war nicht nur Reifenmanagement gefragt. Hülkenberg überholte innerhalb von 13 Runden Gasly, Lawson, Bortoleto und Tsunoda, lag damit wieder an der Spitze des Zuges
und konnte so die Reifen wieder streicheln. Was laut Hülkenberg seit dem Upgrade wesentlich einfacher geworden ist. "Das Auto ist einfach viel stabiler als vorher. Das erlaubt es mir, das Tempo so zu bestimmen, wie es nötig ist. Der Schritt fühlt sich so an wie der bei Haas von 2023 auf 2024."

Für Nico Hülkenberg könnte es schon in Spielberg das nächste Upgrade geben.
Nächstes Upgrade wartet schon
Der US-Rennstall steckte 2023 in der gleichen Falle, die Sauber in den letzten eineinhalb Jahren zum Hinterherfahren verdammte. Das Auto war auf eine Runde besser als über die Distanz. 2024 schaffte es Haas, die Eigenschaften umzudrehen. Ohne Abtrieb zu verlieren, fanden die Ingenieure einen Weg ihn in allen Fahrsituationen konstant zu halten.
Auf einer gesunden Basis erhöhte Haas in einem nächsten Schritt den Anpressdruck. So weit ist Sauber noch nicht. Deshalb ist auch noch ein weiteres Upgrade geplant. Im Fokus stehen ein weiteres Mal der Unterboden und der Heckflügel. Wenn alles gut geht, könnten die grellgrünen Autos bereits beim nächsten Rennen in Österreich einen weiteren Schritt machen. Diesmal auch auf eine Runde. Der Sauber C45 soll auch ein Samstag-Auto werden. Das würde den Fahrern dann auch eine bessere Ausgangsposition im Rennen verschaffen.
Ob es dann ein echter Fortschritt ist, hängt von der Konkurrenz ab. Auch Aston Martin, Haas, Williams, Alpine und Toro Rosso haben noch einen Entwicklungsschritt im Köcher. Die meisten vor der Sommerpause, Williams danach. Wichtig aus Sicht von Sauber ist, dass die jüngsten Eingriffe offenbar auf jedem Typ Rennstrecke Wirkung zeigen. "Montreal war in Bezug auf das Abtriebsniveau, die Bodenfreiheit und die Randsteine das Gegenteil von Barcelona", erklärte Audi-Formel 1 Chef Mattia Binotto.
Bortoleto wartet zwar noch auf seinen ersten WM-Punkt, aber er spürt, dass es bald so weit sein könnte. "Wir haben in Montreal auch auf einer Rennstrecke, die uns nicht so liegt, Fortschritte gezeigt. Das gibt mir ein gutes Gefühl, dass wir mit unserem Auto in die richtige Richtung marschieren."