Rennanalyse GP Österreich: McLaren-Duell elektrisiert

Rennanalyse GP Österreich 2025
Wie konnte Norris Piastri abwehren?

GP Österreich 2025
Veröffentlicht am 29.06.2025

Weshalb konnte Piastri an Norris dranbleiben?

Nach dem Qualifying hatten viele mit einem überlegenen Sieg von Lando Norris gerechnet. Mehr als eine halbe Sekunde Vorsprung hatte er der Konkurrenz aufgebrummt. Zudem stand Teamkollege Oscar Piastri nur auf Platz drei.

In Kurve 2 der ersten Runde hatte der Australier das korrigiert und Charles Leclerc kassiert. Nach der kurzen Safety-Car-Phase wegen des Verstappen-Antonelli-Unfalls zogen die MCL39 auf und davon. Piastri blieb immer im DRS-Fenster, der WM-Leader hatte im ersten Stint eine bessere Pace auf dem Medium-Reifen. In Runde 6 setzte Piastri die erste Attacke vor Kurve 4, die noch nicht zwingend war. Hitzig wurde es fünf Umläufe später: Norris kam schlecht aus Kurve 1 heraus und Piastri zog vor T3 vorbei, sein Gegner holte dafür mehr Schwung und beschleunigte ihn auf der Innenbahn zu Kurve 4 wieder aus. Piastri ließ aber nicht locker und versuchte es in Turn 6 nochmal, kam aber nicht vorbei. Die Situation kühlte aber nur kurz ab, dann kam die nächste Attacke – und die riss beide Fahrer nahezu aus dem Rennen: In der 20. Runde verbremste sich Piastri vor T4 und rauschte fast ins Heck des Engländers.

Die Teamführung hatte genug gesehen und beorderte Norris an die Box, um die Streithähne zu trennen. Norris stoppte noch in selbiger Runde und holte Piastri erst vier Umläufe später herein. Auf den neuen harten Reifen konnte Piastri zwar den Vorsprung verkürzen, doch zu einer Attacke kam es auch nach der zweiten Phase der Stopps nicht mehr. Teamchef Andrea Stella atmete im Anschluss durch: "Ich bin glücklich. Wir wollen beiden Fahrer die Möglichkeit geben, gegeneinander zu kämpfen. Wir haben aus der Kanada-Kollision gelernt."

Der Italiener erklärte, weshalb Norris Piastri im ersten Stint nicht abschütteln konnte: "Der DRS-Effekt ist hier massiv. Außerdem musste Lando im Mittel- und Schlusssektor seine Batterie aufladen, um sich gegen Oscar verteidigen zu können. Dafür beanspruchte er den Reifen stärker in den schnellen Kurven."

Norris war nach dem Rennen ausgelaugt. "Es war hart. Ich habe das ganze Rennen über gepusht. Aber das ist das perfekte Resultat nach Kanada." Der 25-Jährige verkürzte mit dem Erfolg seinen Abstand in der WM auf 15 Punkte zu Piastri. Der hatte in Runde 54 noch eine haarige Situation zu überstehen als er die kämpfenden Yuki Tsunoda und Franco Colapinto überholen wollte. Letzterer übersah Piastri zwischen Kurve 3 und 4 und drückte ihn auf das Gras. "Auch nach all den Jahren findet man bei Alpine noch einen Weg, um mir einen reinzudrücken", meinte Piastri sarkastisch. Für Colapinto setzte es eine 5-Sekunden-Strafe.

Max Verstappen - Red Bull - GP Österreich 2025 - Spielberg - Formel 1
Guenther Iby via Getty Images

Wo wäre Max Verstappen ohne Crash gelandet?

Einen Sonntag zum Vergessen erlebte Max Verstappen beim Heimspiel von Red Bull. Bereits in Kurve 3 der ersten Runde hatte der Champion Feierabend. Andrea Kimi Antonelli konnte dem RB21 nicht mehr ausweichen und knallte ins Heck. Er beendete das Rennen des Niederländers. Am Funk regte sich Verstappen kurz auf, hatte aber Antonelli schnell verziehen: "Ich habe kurz mit Kimi gesprochen. Er kam auch kurz in die Hospitality. Jeder Fahrer hat schon solche Fehler gemacht und es macht keiner mit Absicht. Für mich ist es keine große Sache."

Für seine WM-Hoffnung allerdings schon. Nach dem Nuller beträgt sein Rückstand auf Piastri 61 Zähler. Teamchef Christian Horner schrieb den Titel in Spielberg mehr oder weniger ab. "Es sieht nach einem Zweikampf zwischen Oscar und Lando aus. So wie die gegeneinander gekämpft haben, zeigt, wie viel Puffer sie gegenüber den anderen haben. Es wird sehr schwer, diese Lücke bis zum Ende des Jahres noch zu schließen."

Verstappen ging nur von P7 in den Grand Prix, weil er wegen einer gelben Flagge nach einem Gasly-Dreher bei seinem letzten Versuch lupfen musste. Eine realistische Einschätzung der Red-Bull-Performance blieb das Team in Spielberg somit schuldig. "Wir hätten mit den McLaren nicht mithalten können, aber wir wären auf Augenhöhe mit Ferrari gewesen", glaubte Horner.

Charles Leclerc - Ferrari - GP Österreich 2025 - Spielberg - Formel 1
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Wie hat Ferrari die Wende in Spielberg geschafft?

In Kanada war Ferrari noch der Prügelknabe der Formel 1, in Spielberg ging es wieder aufwärts: Die Scuderia war die zweite Kraft in den Alpen. Das hatte in erster Linie mit dem neuen Unterboden zu tun, den Ferrari an die Strecke brachte. In Abwesenheit des Teamchefs Frédéric Vasseur erklärte sein Stellvertreter Jérôme d‘Ambrosio: "Der Unterboden hat genau das gemacht, was wir uns von ihm erhofft hatten. Er baut auf der Philosophie des alten auf."

Das Upgrade gibt den Fahrern mehr Vertrauen in den Rennwagen. Der Vorteil ist dann noch höher als in der Theorie errechnet. Charles Leclerc stellte den SF-25 auf den zweiten Startplatz, Lewis Hamilton wurde Vierter im Qualifying. Endlich konnten die Ferrari am Samstag überzeugen. Im Rennen musste dann Leclerc Piastri ziehen lassen, Hamilton fiel kurzzeitig hinter George Russell zurück, kämpfte seinen englischen Landsmann noch in Runde 1 nieder.

Anschließend fuhren die Ferrari ein einsames Rennen. Dennoch gab es mal wieder Stress am Funk zwischen Hamilton und seinem Renningenieur Riccardo Adami, der den Superstar an die Box beorderte, obwohl Hamilton noch draußen bleiben wollte. D‘Ambrosio sprach nach der Zieldurchfahrt mit seinem Piloten und erklärte ihm, dass nur ein Stopp bei der Hitze und dem Reifenverschleiß nicht möglich gewesen wäre. "Nachdem ich Lewis das gesagt hatte, hat er es sofort akzeptiert und verstanden."

Andrea Kimi Antonelli - Mercedes - GP Österreich 2025 - Spielberg - Formel 1
xpb

Warum hatte Mercedes keine Chance?

Nur Rang fünf von Montreal-Sieger George Russell und der Verlust des zweiten WM-Rangs bei den Konstrukteuren musste Mercedes verschmerzen. Die Silberpfeile waren in Spielberg chancenlos. Die Niederlage hatte Russell bereits vor dem Wochenende antizipiert. Die Quali-Schlappe bestätigte die Vorhersehung. Teamchef Toto Wolff sagte bereits vor dem Rennen: "Wir sind im Nirgendwo. Der Asphalt ist zu alt und es ist zu heiß." Im Rennen trudelte Russell mit 62 Sekunden Rückstand auf Norris ein und hatte auf Hamilton 33 Sekunden verloren. "George hatte nicht die Pace, um Ferrari oder McLaren vor ihm anzugreifen", bedauerte Wolff. Antonelli schoss Verstappen ab und kassierte zwei Strafpunkte für das Foulspiel sowie eine Strafplatzstrafe von drei Rängen für Silverstone.

Nico Hülkenberg - Gabriel Bortoleto - Sauber - GP Österreich 2025 - Spielberg - Formel 1
Andy Hone via Getty Images

Ist Sauber die neue fünfte Kraft in der Formel 1?

Zum ersten Mal seit Katar 2023 hat Sauber mit zwei Autos Punkte in einem Grand Prix geholt. Gabriel Bortoleto kam nach P8 im Qualifying auf selbigem ins Ziel. Nico Hülkenberg gelang eine starke Aufholjagd. Der Deutsche profitierte nach seinem letzten Startplatz bereits in der Aufwärmrunde von technischen Problemen am Williams von Carlos Sainz.

Der Spanier verursachte eine weitere Formationsrunde. Der Crash in Runde 1 half Hülkenberg zusätzlich. Auf den weichen Reifen gestartet, stoppte er bereits ins Runde 12 und kam per Undercut an Bortoleto, den er anschließend wegen der frischeren Reifen wieder vorbeiließ. Am Ende rollte er als Neunter über den Zielstrich. Die zwei Einstopper Liam Lawson und Fernando Alonso hatten sich noch dazwischen geschoben. "Wir haben nie über nur einen Stopp nachgedacht", sagte Teamchef Jonathan Wheatley. "Ich bin zufrieden, aber nicht überrascht", lobte der Engländer den Fortschritt. In Österreich war man fünfte Kraft.