Takumi Fujiwara, ein 18-jähriger Oberschüler, fährt in seinem alten "Hachi-Roku", japanisch für "Acht-Sechs", Tofu für seinen Vater aus. Die Touren führen ihn über die kurvenreichen Bergstraßen des Mount Akina, die von verschiedenen Straßen-Renncrews für Drift-Rennen genutzt werden. Als Takumi eines Tages unfreiwillig selbst in ein Drift-Rennen gerät und gegen einen deutlich moderneren und stärkeren Mazda RX-7 (FD) gewinnt, ist der Grundstein für eine der erfolgreichsten und für die Auto-Szene einflussreichsten Manga- und Anime-Serien gelegt. In 48 Bänden zwischen 1995 und 2013 setzt Autor Shuichi Shigeno dem Toyota AE86 und eigentlich der gesamten japanischen Autokultur ein Denkmal, das auch international riesige Erfolge feiert.
In der Serie sitzt Takumi in einem Toyota Sprinter Trueno, Spitzname "Panda Trueno" wegen seiner weiß-schwarzen Lackierung. Vorn präsentiert sich der Wagen minimalistisch, aufgeräumt. Statt eines Toyota-Logos steht der Name "Trueno" im schmalen Kühlergrill. Dahinter tauchen die Klappscheinwerfer im keilförmig ansteigenden Vorderwagen ab. Wie mit dem Geodreieck gezeichnet, zeigt die Karosserie trapezförmig klare Kante – typisch für Japaner der 80er-Jahre. Neben dem Liftback auf unseren Fotos bekam man den AE86 auch als Coupé mit kleinem Kofferraum-Bürzel.
Doch wieso ist hier ständig vom AE86 die Rede und nicht vom Toyota Sprinter? Nun, die Baureihe, die über 360.000-mal zwischen 1983 und 1987 in den Toyota-Werken Higashi-Fuji und Takaoka montiert wurde, trägt nicht nur einen Namen. Als Corolla Levin wird sie in Toyotas "Corolla Stores" angeboten. Sprinter Trueno heißt sie dagegen in den "Toyota Auto Stores", heute unter dem Namen "Netz" bekannt. Toyota nutzt verschiedene Händlernetze, um unterschiedliche Kunden anzusprechen. Corolla Levin, Sprinter Trueno und die amerikanischen und europäischen Ableger Corolla GT unterscheiden sich dabei aber nur in optischen Details und der an den jeweiligen Markt angepassten Motorleistung.
Was sie alle eint: das niedrige Leergewicht von je nach Ausstattung 950 bis 970 Kilogramm, der Hinterradantrieb und das Herzstück, der 4A-GE. Der Vierzylinder-Saugmotor mit zwei obenliegenden Nockenwellen, 1,6 Litern Hubraum und 130 PS entsteht in Kooperation mit Yamaha: ein drehfreudiger Freiläufer, der als einfach zu warten und zugleich auch als einfach zu modifizieren gilt und sich so in der Rallye- und Drift-Szene einen Legendenstatus erarbeitet. Viele Zutaten also, die schon auf dem Papier großen Fahrspaß versprechen.

In seiner schwarz-weißen Lackierung ist dieser AE86 auch als "Panda-Trueno" bekannt.
Die Drift-Legende zum Anfassen
Nun, ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, nicht mit einer gewissen gespannten Erwartungshaltung zum Panda Trueno von Besitzer Emin Köklü zu gehen. Sein Ruf eilt ihm voraus. In unzähligen Rennspielen auf dem PC und der Playstation habe ich den AE86 bereits selbst über die berühmtesten Strecken der Welt gescheucht. Auch der Anime "Initial D" war mir im Vorfeld bekannt. Und wenn Emin dann noch erzählt, dass er ein ganzes Jahr in Japan gelebt hat und als erste Amtshandlung dieses Auto kaufte und anmeldete, damit er es am Ende seines Aufenthalts als Umzugsgut mit nach Deutschland nehmen konnte, wird noch einmal deutlich, welche Anziehungskraft dieser eigentlich gewöhnliche 80er-Jahre-Corolla auf seine Fans ausübt.
Eigentlich heißt es ja, man solle seine Helden besser nicht fahren, zu groß sei die Gefahr, enttäuscht zu werden. Doch zum Fahren haben wir uns getroffen.
Die Wangen des Recaro-Sitzes fassen den Rücken fest ein. Die Sitze sind übrigens das Einzige, was nicht original ist an Emins AE86. Nach dem Umstieg braucht das Gehirn ein paar Minuten, um sich im Rechtslenker-Set-up mit dem kargen, schwarzen Kunststoff-Armaturenbrett zurechtzufinden – ohne Übung erwischt man beim ersten Blinkversuch immer erst den Scheibenwischerhebel. Dann aber dröhnt der 4A-GE im Vorderwagen los. Entsteht dieser satte Motorsound wirklich aus nur 1,6 Litern Hubraum?
Auch hier wird die Übersetzung mit einem straffen Fünfganggetriebe sortiert. Optional war in manchen Märkten auch eine Vierstufenautomatik erhältlich. Aber wer diese bestellt hat, hat dieses Auto nicht verstanden. Rasch klettert die Drehzahlnadel die Anzeige nach oben, als wir zu unserer Testrunde aufbrechen. Der Motor verlangt geradezu nach Umdrehungen. Erst ab 7.500/min ist die Skala des Drehzahlmessers rot gefärbt. Und seine 130 PS ruft der 1,6er bei 6.600/min ab.

Der 1,6-Liter-DOHC-Vierzylinder 4A-GE mit 124 PS.
Agil, aber komfortabel
Davor passiert allerdings auch nicht sonderlich viel. Saugertypisch entfaltet er seine Kraft linear, ohne dass es einen dabei in den Sitz drücken würde. Die Lenkung bietet eine gute Portion Widerstand, sodass ich mit dem lederumspannten Dreispeichenlenkrad präzise durch die Kurven zirkeln kann. Ein versehentlicher Drift passiert einem damit aber nicht. Der AE86 vermittelt ein pures, ungeschliffenes Fahrgefühl, bei dem jeder Gasstoß in Vortrieb und herrlichem Dröhnen aus dem Auspuff resultiert.
Auch der AE86 ist leichtfüßig und agil, wirkt aber mit seinen etwas größeren Außenmaßen und einem gutmütigeren Fahrwerk wie das erwachsenere der japanischen 80er-Ikonen. Natürlich nur in dieser Relation: Im Vergleich zu einem Mercedes C124 ist der AE86 so juvenil wie die Eurodance-Musik, zu der er in "Initial D" seine Downhill-Drifts meistert.
Eines steht fest: Der Toyota AE86 ist mehr als ein Auto – er ist ein Symbol für Fahrspaß, Präzision und Leidenschaft. Wer einmal hinter dem Lenkrad sitzt, weiß: Der Hachi-Roku lebt.

Klappscheinwerfer dürfen bei einem sportlichen 80er-Jahre-Japaner nicht fehlen!
Technische Daten
Motor: Typ 4A-GE, wassergekühlter Vierzylinder-Reihenmotor, vorne längs eingebaut, Bohrung x Hub 81 x 77 mm, Hubraum 1587 cm³, 130 PS bei 6600 U/min, Drehmoment 149 Nm bei 5200 U/min, Verdichtung 9,4 : 1, vier Ventile pro Brennraum, betätigt über zwei zahnriemengetriebene obenliegende Nockenwellen und Tassenstößel, Motorblock aus Grauguss, Zylinderkopf aus Leichtmetall, fünf Kurbelwellenlager, elektronische Benzineinspritzung, Ölkühler, Ölfüllmenge 3,7 Liter.
Kraftübertragung: Fünfgang-Schaltgetriebe, alternativ Vierstufen-Automatik, Hinterradantrieb.
Karosserie und Fahrwerk: Selbsttragende Stahlblechkarosserie, vorn Einzelradaufhängung mit Federbeinen, Querlenkern und Zugstreben, hinten Starrachse mit Schraubenfedern, vier Längslenkern und Panhardstab, rundum Kurvenstabilisatoren, Zahnstangenlenkung, alternativ mit Servounterstützung, Vierrad-Scheibenbremsen, Felgengrößen 5 J x 13, 5,5 J x 14 oder 6 J x 14, Reifen 185/70 HR 13, 185/60 HR 14 oder 195/60 HR 15.
Maße und Gewicht: Radstand 2400 mm, Länge x Breite x Höhe 4180 x 1625 x 1335 mm, Spurweite vorne 1355 mm, hinten 1345 mm, Leergewicht 940 kg, Tankvolumen 50 Liter.
Fahrleistungen und Verbrauch: Höchstgeschwindigkeit 195 km/h, Beschleunigung 0–100 km/h in 8,9 Sekunden, Verbrauch 8,3 Liter/100 km.
Bauzeit und Stückzahl: Produktion von 1983 bis 1987, ca. 360.000 Exemplare.