Kanzler bei Strategiedialog: Wird Stuttgart zum zweiten Detroit?

Kanzler bei Strategiedialog Baden-Württemberg
Wird Stuttgart zum zweiten Detroit?

ArtikeldatumVeröffentlicht am 28.11.2025
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9. Strategiedialog Baden-Württemberg Källenius, Ola Kaellenius, Chairman of the Board of Management of Mercedes-Benz Group AG, German Chancellor Friedrich Merz, Minister President of Baden-Wuerttemberg Winfried Kretschmann and Oliver Blume, CEO of Volkswagen AG
Foto: BERND WEISSBROD via Getty Images

Gewinneinbruch, Entlassungen, trübe Aussichten – man würde es verstehen, wenn Mercedes-Vorstandsvorsitzender Ola Källenius und VW-Konzernchef Oliver Blume schlechte Stimmung an den Tag legen, während sie im Vorfeld des 9. Strategiedialogs Baden-Württemberg auf die Ankunft von Bundeskanzler Friedrich Merz vor dem Stuttgarter Messegelände warten. Aber immerhin: Es gibt gemeinsame Bemühungen von Politik und Wirtschaft, Wege aus dieser Krise zu suchen.

Elefantenrunde in Alarmstimmung

Noch nie war dieser Gipfel so hochkarätig besetzt wie in diesem Jahr: Blume und Källenius nutzten die Wartezeit für den persönlichen Austausch, Daimler-Truck-Chefin Karin Radström suchte den Dialog mit Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann, während Bosch-Chef Stefan Hartung erst knapp vor Kanzler Friedrich Merz eintrifft. "Es mag ungewöhnlich sein, dass der Bundeskanzler an einer Veranstaltung eines Bundeslandes teilnimmt", so Merz nach dem Meeting. Aber kein anderes Bundesland sei so sehr mit der Autoindustrie verbunden wie Baden-Württemberg. Recht hat er.

Merz will bekanntlich das Aus vom Verbrenner-Aus kippen, das bislang für 2035 geplant war. Er sei nicht bereit, den Verlust von hunderttausenden Arbeitsplätzen in dieser Schlüsselindustrie zu akzeptieren, sagte er im Rahmen des Strategiedialoges. Und fordert Brüssel zum Umsteuern auf: "Die Europäische Union steht vor der gewaltigen Aufgabe, einen großen Teil der Regulierung zu korrigieren und Teile davon zurückzunehmen."

EU will Autoindustrie stützen

Im Gegenzug kündigt EU-Industriekommissar Stéphane Sèjourne auf der gleichen Veranstaltung einen Plan zur Stärkung der europäischen Autoindustrie an, der am 10. Dezember vorgelegt werden soll: "Wir werden viel Pragmatismus an den Tag legen und wenig Ideologie." Ob diese Botschaft auch bei den EU-Ländern angekommen ist, die nicht so sehr vom Wohl und Weh der Autoindustrie abhängen wie Deutschland?

"Das Produkt stimmt mittlerweile", da waren sich die Wirtschaftsvertreter einig, die sich nach eigenen Worten auch durch die auto motor und sport-Test-Ergebnisse bestätigt sehen: Der Mercedes CLA kam mit 678 Punkten auf die bisher höchste Bewertung eines Autos in einem Einzeltest, was Ola Källenius sogar auf seinem eigenen LinkedIn-Account feierte. Und auch der neue Audi Q3 E-Hybrid zeigt als Plug-in seine enorme Alltagstauglichkeit mit einer rein elektrischen Reichweite von 142 Kilometern.

Kretschmann für Flexibilität beim Antrieb

Die Zukunft gehört möglichst CO₂-neutralen Antrieben. Die beste Idee, die den Weg dorthin ebnet, möge gewinnen. Der Effekt für den Klimaschutz ist dann besonders hoch, wenn wir auch Autos erreichen, die bereits auf den Straßen rollen – mit alternativen Kraftstoffen beispielsweise. Winfried Kretschmann, der nächstes Jahr planmäßig aus dem Amt des grünen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg ausscheidet, fordert so zu Recht mehr Flexibilität bei den Antriebsarten: "Die muss kommen. Dafür setzen wir uns bei der EU-Kommission ein."

Kretschmann, der den Strategiedialog einst ins Leben gerufen hat, spricht sich für eine "technologische Pluralität aller Antriebsarten aus", weil diese weltweit nachgefragt würden. Besonders ihm ist es zu verdanken, dass das Wohl und Weh der Autoindustrie eine große politische Bühne bekommen hat. Wenn einer sich mit ganzer Macht dagegengestemmt hat, dass Stuttgart nicht zum neuen Detroit wird, dann Winfried Kretschmann. Wir werden ihn noch vermissen.

Fazit