VW-Chef Herbert Diess macht seinen Entwicklern Dampf: Mehr von ihnen müssen an Elektroautos arbeiten. Statt bisher 3, sollen sich künftig nur noch 2 Abteilungen mit Verbrennern beschäftigen.
VW-Chef Herbert Diess macht seinen Entwicklern Dampf: Mehr von ihnen müssen an Elektroautos arbeiten. Statt bisher 3, sollen sich künftig nur noch 2 Abteilungen mit Verbrennern beschäftigen.
Die VW-Entwicklung ist geteilt – nach Baureihen. Allerdings nicht so, wie sich das VW-Modellprogramm für Kunden präsentiert. Eine Baureihe meint hier nicht zum Beispiel Passat, sondern eine ganze Gruppe von Modellen, die technisch verwandt sind.
Als Herbert Diess von BMW zu VW kam, brachte er eine neue, vor allem an der Größe bzw. eine bauteileorientierte Einteilung mit und nummerierte die einfach durch:
MLB steht für Modularer Längsbaukasten, MQB für Modularer Querbaukasten, auf dem zuletzt gut 80 Prozent aller vom gesamten VW-Konzern verkauften Autos aufbauten. Folgerichtig beschäftigten sich 75 Prozent der Baureihen-Abteilungen vor allem mit MQB-Autos. Alles andere hätte auch kaum funktioniert, weil die mit einem G gekennzeichneten Abteilungen auch kaufmännisch autark agieren und direkt an den Vorstand berichten (anfangs auch für VW Herbert Diess, seit 1. August 2018 Ralf Brandstätter). Wie Geschäftsführer müssen sie darauf achten, dass die Projektkosten für ihre Autos im Rahmen bleibt bzw. die Projekte möglichst profitabel sind. Das soll verhindern, dass sie für ihre Projekte beispielsweise teure Komponenten bestellen ohne Kosten und Nutzen beachten zu müssen.
Jetzt, wo die Stückzahlen von E-Autos steigen, muss auch die Anzahl der damit beschäftigten Personen wachsen. Außerdem arbeitet VW ja bereits an der MEB-Nachfolgearchitektur SSP (Scalable Systems Platform), auf Basis derer das erste Modell (Projektname Trinity) bereits 2026 auf den Markt kommen soll (in der Galerie ein Überblick, welche E-Auto-Plattformen es im VW-Konzern gibt). Die Trinity-Entwickler arbeiten derzeit noch in einem Projekthaus, sollen aber in die reguläre Struktur eingegliedert werden. Deshalb hat VW die intern Baureihen genannten Abteilungen umgruppiert:
Stichwort Software: Speziell Audi-Chef und VW-Entwicklungsvorstand Markus Duessmann drängt schon länger auf eine Gruppierung der Fahrzeuge mehr nach Softwarefähigkeiten, als nach mechanischen Bauteilen. Funktionsorientiert am Kunden – ein langjähriger VW-Interner meinte beispielhaft: "Das ist super, wenn unsere Autos am besten bremsen, das bleibt auch weiter wichtig. Aber wenn Apple-Car-Play nicht zu haben ist, macht der Kunde sein Kreuz bei der Konkurrenz". Zudem vergibt VW inzwischen Kunden-Kennungen wie Apple seine IDs (darum heißen die E-Autos ID.). Dazu muss die Elektronik einheitlich sein, die Software in jedem Auto was mit der ID. anfangen können. Darum versucht VW sein neues Betriebssystem VW OS, das die Tochter Cariad mit Tausenden neu eingestellten Software-Ingenieuren entwickelt, unabhängig vom Antriebsprinzip auf alle Modelle zu übertragen – die Verschmelzung von MQB und MEB, von Verbrenner und E-Auto auf der Elektronik- und Software-Ebene quasi. Denn die Anforderungen für Funktionen wie E-Call, Verbrauchsspeicherung für die EU oder Telematik und Assistenzsysteme sind für E-Autos oder Verbrenner ja die gleichen.
Ab der SSP sitzt mit der Software E³ 2.0 aufwärts dann ohnehin überall der gleiche Code, der für Trinity und Co. durch die weitreichenden Autonom-Fahr-Fähigkeiten noch mehr Bedeutung hat. Dann ist die Unterteilung der Baureihen vor allem eine systemorientierte. Wo die Motoren wie herum eingebaut sind, nach welchem Prinzip sie arbeiten – egal. Der Elektronik-Backbone und das Betriebssystem machen den Unterscheid. Wobei die SSP natürlich eine reine E-Plattform ist und selbst ihre Batterien auf der Einheitszelle aufbauen.
Und warum das alles: Weil Herbert Diess den heißen Atem von Elon Musk im Nacken zu spüren meint und seine Autos schneller, billiger und effizienter bauen muss. Wie der Tesla-Chef, den er bei einer Video-Zuschaltung auf dem "Global Leadership Summit" (GLS) von VW im österreichischen Alpbach vor 200 Führungskräften für seine geschickte Bewältigung der Chip-Krise lobte und der in Grünheide künftig genauso viele Autos bauen will, wie VW in Wolfsburg, wo doppelt so viele Mitarbeiter in der Produktion arbeiten, wie in der Endausbaustufe von der Gigafactory nahe Berlin.
Mit der Umgruppierung der internen Baureihen setzt Diess das Programm "Accelerate" operativ um. Nur konsequent, wenn sich der Schwenk zur E-Mobilität beschleunigt. Und zum E-Antrieb muss VW schnell kommen, wie in der Strategie "Road to Zero" beschrieben.
Der Fokus auf Elektronik und Software ist dabei genauso wichtig. Denn da ist Elon Musk mit Tesla schon am Ziel – zumindest aus Sicht von Herbert Diess, der damit erklärt, warum er Druck aufbaut, bis hin zu einem Szenario, nach dem VW 30.000 Stellen einsparen muss: "Weil ich mir Sorgen mache", so der CEO.