Aktuell knabbert die Autoweilt noch am Ioniq 5 N herum, fragt sich, wie die Koreaner dieses Auto zur Serienreife entwickelt bekommen haben. Wegen der Rennstreckentauglich, vor allem aber wegen der zahlreichen Gimmicks, vorneweg die Applikation eines Verbrenner-Klangs inklusive simuliertem Achtgang-Doppelkupplungsgetriebes samt Schaltrucken und Abgassprotzeln. Weil es funktioniert.
Jetzt geht’s weiter, mit dem Versuchsträger RN24. Dessen vier 19-Zoll-Hankook-Reifen am Hyundai RN24 ändern gerade ihren Aggregatszustand. Erhebliche Mengen schwarzer Gummimischung verflüchtigen sich in noch erheblichere Mengen weißen Rauches. Warum? Weil es geht. Ganz leicht sogar. Und weil es ausdrücklich gewünscht ist. Wohlan. Der große Pylonen-Kreis steht sicher noch dort, wo er sich vor einigen Sekunden noch befand, sicherheitshalber kurz die Luft anhalten, den RN24 im Drift halten, eine weitere Runde. Dann: Umsetzen, eine acht beschreiben, in den nächsten, etwas kleineren Kreis wechseln.

Mit der Plattform aus einem EV-Chassis, das einem WRC-Auto ähnelt, will Hyundai Wege finden, das Fahrerlebnis von Elektroautos zu verbessern.
Beim Rauchen zusehen
Du schaust zu, wie sich vom leicht eingeschlagenen linken Vorderrad die Rauch-Fontänen lösen, die Reifen kreischen, der Antrieb produziert ein brünftiges, leicht fünfzylindriges Geräusch. Die rudimentären hinteren Kotflügel dienen als Resonanzraum. Ja, klingt okay. Kann man lassen. Ach ja: Abgesehen von den Kotflügeln ist da nicht mehr viel Karosserie. Eigentlich: Gar keine. Du sitzt im Auge des Orkans, den Elementen ausgeliefert. Das aber richtig gut, akkurat hinterm kleinen beknopften Lenkrad positioniert, ein großes horizontales Display in der Fahrzeugmitte versorgt dich zuverlässig mit allen relevanten Infos. Aber eben: Keine Karosserie. Einzig der Vollvisier-Helm bietet ein wenig Schutz und Privatsphäre.
Weiter geht’s, ein wenig Slalom, natürlich so quer wie möglich, immer schön umsetzen, von einem Drift zum nächsten. Der Antrieb arbeitet im Asphalt-Modus. Dabei verteilt sich die Kraft von insgesamt 650 PS und 770 Nm variabel, abhängig von Lenkwinkel und Fahrpedalstellung. Und das funktioniert bemerkenswert verlässlich, fühlt sich natürlich, geradezu selbstverständlich an, obwohl der Asphalt nasse, feuchte und trockene Flecken aufweist, was die Drifterei an sich nicht unbedingt erleichtert. In den beiden Drift-Modi fährt der Hyundai eher als Hecktriebler, was bei überfallartig einsetzendem Drehmoment eine nicht zu unterschätzende Herausforderung darstellt. Snow bedeutet eine 40:60-Kraftverteilung, Gravel eher umgekehrt.
Den Dreh raus
Im RN24 läuft’s jedenfalls nach kurzer Eingewöhnung. Auch, weil das gesamte Fahrwerk in Richtung höchste Lebendigkeit abgestimmt wurde. Die Hardware stammt aus Hyundais-WRC-Fliegern, die sich gerade in der WRC1 den Fahrer-WM-Titel holten. Dazu noch eine beherzt geöffnete Spur an der Hinterachse, schon lenkt das Heck praktisch im Stand mit. Du bekommst den knappt 1,9 Tonnen schweren Versuchsträger sowohl per Lastwechsel als auch per stumpfem Fahrpedaldruck quer, besonders präzise klappt es mit der so genannten Fly-off-Handbremse, also jenem großen Hebel, der aus der Fahrzeugmitte ragt. Die Besonderheit: Die Carbon-Stange betätigt nicht etwa die hydraulische Hinterradbremse, sondern aktiviert die Rekuperation des hinteren, 303 kW starken E-Maschine.
Generell erfordert so eine Fly-Off immer ein bisschen Eingewöhnung – wann und mit wie viel Lenkwinkel muss ich auslösen, damit’s passt? Dauert nicht lang, dann findet sich der Rhythmus, der Fluss, okay, vielleicht mischt sich auch ein bisschen Wahnsinn darunter. Diebische Freude. Einfach mal: freidrehen. So wie die N-Truppe, die sich diesen Apparat ausdachte. Weil es ja weitergehen muss mit der Elektrifizierung der Submarke.

Man bekommt den 1,9 Tonnen schweren Versuchsträger sowohl per Lastwechsel als auch per stumpfem Fahrpedaldruck quer, besonders präzise klappt es mit der so genannten Fly-off-Handbremse.
Einen Schritt zurück
Also höher, schneller, weiter? Nein, eigentlich genau in die entgegengesetzte Richtung. Daher das Chassis aus dem WRC-Auto, dass sich am Kleinwagen i20 orientiert. In dem nun aber die Technik des Ioniq 5 N steckt, dessen tatsächlich Größe oft unterschätzt wird. Der Radstand fällt mit 2.660 um 340 mm kürzer aus, die Gewichtsersparnis beträgt etwas über 200 kg. Nicht viel, oder? Stimmt. Liegt zum einen am weitverzweigten Überrollkäfig, der die Karosserie ersetzt, zum anderen an der weiterhin 84 kWh fassenden Batterie zwischen den Achsen. Deren Nebenaggregate sortieren sich nun oberhalb statt dahinter ein (spart 165 mm in der Länge), was die Radstand-Verkürzung ermöglicht.
Jedenfalls soll ein kleinerer Elektro-N das Angebot bereichern, wenngleich selbst dann noch eine erhebliche preisliche Lücke zu den voreilig aus dem Programm genommenen Verbrenner-Modellen bleiben dürfte. Das Wunschziel der N-Entwickler: 500 PS, Allradantrieb, 1,6 Tonnen, 800 Volt-Technik, Grundpreis deutlich unter 60.000 Euro. Aktuell liegt der Ioniq 5 N bei knapp 75.000 Euro, ein i30 N kam zuletzt auf knapp über 40.000, ein i20 N auf knapp unter 30.000 Euro – da bleibt also noch Luft.

Der Radstand fällt mit 2.660 um 340 mm kürzer aus, als beim Ioniq 5 N und die Gewichtsersparnis beträgt etwas über 200 kg.
In bester Tradition
In jedem Fall bleibt die Hyundai-Truppe dran, will es wissen, will es allen beweisen, dass die Ernsthaftigkeit, mit der dem Ioniq 5 N der Fahrspaß und sogar Rennstreckentauglichkeit ins Blech geknetet wurde, ebenso gut in kleineren Klassen funktioniert. Der RN24 beschreibt den Weg dahin, nähert sich dem Ideal von oben, so wie es seit dem ersten rollenden Versuchslabor 2012 bereits Tradition ist. Inzwischen schicken die Koreaner das achte Fahrzeug dieser Art auf die Teststrecken. Es lasse seinen Fahrer auf der Grenze zwischen Begeisterung und Angst wandeln, sagen die Verantwortlichen – und liegen damit nicht wirklich daneben. Dieses übermotorisierte Auto-Fragment schleudert einen mit der Wucht eines Kugelstoßers nach vorn, verlangt beim Bremsen allerdings Gefühl, denn das Pedal wirkt diffus, ABS gibt’s nicht. Hurra.
Speziell auf dem noch gut feuchten Rundkurs von Sonoma führt das zu höchster Anspannung im Schalensitz, immer mal wieder abruptem, tiefen Einatmen, sodass es die Fünfpunkt-Gurte zu sprengen droht. Speziell wegen der offenen Spur an der Hinterachse liegt dem RN24 die Rundstrecke eher weniger. Fühlt sich ein bisschen so an, als versuchst du mit einem Tablett voller Weißbiergläser möglichst schnell eine gerade Linie durch ein brodelnd gefülltes Festzelt zu finden. Doch hey, sobald du mal wieder am großen schwarzen Hebel ziehst, findet sich der RN24 wieder, du dich ebenfalls, alles fließt. Und wie! 303 kW hinten, 175 kW, spürbare Degradation der Leistung erst bei einem Akkustand von 15 Prozent abwärts.

Man balanciert den RN24 kurz vorm völligen Abriss an der Haftgrenze entlang. Was da wohl für ein Serienmodell einmal draus wird?
Flasche leer? Noch nicht!
Bis dahin fehlen noch einige Prozentpunkte, der Drift-Parcours ist inzwischen abgetrocknet, der RN24 donnergrummelt hinter der Sonoma-Haupttribüne runter. Dann ein kurzer, zarter Zug am großen schwarzen Hebel bei leichtem Einlenkimpuls, mit einer wunderbaren Mischung aus Eleganz und Übermut wirft sich das Heck aus dem Kurvenradius heraus. Strom geben. Zusehen, wie vorne links erneut der Rauch aufsteigt, in immer dichteren Schwaden. Die anderen drei Reifen qualmen eifrig mit. Du balancierst den RN24 kurz vorm völligen Abriss an der Haftgrenze entlang. Was da wohl für einen Serienmodell einmal draus wird? Womöglich eines, an dem sich die gesamte Industrie wieder abarbeitet.