Canoo möchte hübsche Elektro-Vans und Transporter bauen. Doch zurzeit gibt es massive Turbulenzen im Management und in puncto Finanzen.
Canoo möchte hübsche Elektro-Vans und Transporter bauen. Doch zurzeit gibt es massive Turbulenzen im Management und in puncto Finanzen.
Beim Elektro-Van-Start-up Canoo geht es derzeit turbulent zu. Aber nicht in erster Linie wegen bahnbrechender neuer Produkte. Sondern wegen der Finanzen, wegen der Unternehmensstrategie und wegen personeller Wechsel im Management. Die jüngste Volte in der Causa Canoo: Wie Geschäftsführer Tony Aquila kürzlich bei der Verkündung der Quartalsergebnisse bekanntgab, ermittelt die US-Börsenaufsicht SEC gegen die in Los Angeles beheimatete Firma.
Derartige Untersuchungen scheinen bei E-Auto-Startups zum guten Ton zu gehören, schließlich prüft die SEC parallel auch Vorgänge bei Lordstown Motors und Nikola. Zu den Hintergründen äußerten sich bisher zwar weder Aquila noch die US-Börsenaufsicht selbst. Doch die Ermittlungen scheinen im Zusammenhang mit dem im vergangenen Sommer erfolgten Börsengang zu stehen. In einem insgesamt 2,4 Milliarden Dollar (fast zwei Milliarden Euro) schweren Deal fusionierte Canoo dabei mit der Hennessy Capital Acquisition Corporation und sicherte sich dabei frisches Kapital.
Bereits zuvor gab es reichlich Unruhe bei den Kaliforniern, bei denen es offenbar kürzlich offenbar einen radikalen Strategiewechsel gegeben hat, wie das Tech-Portal "The Verge" meldet. Dies betrifft vor allen Dingen den im vergangenen Jahr vermeldeten Deal mit Hyundai – anscheinend möchte Canoo nicht mehr seine Technologien an andere Hersteller verkaufen.
"The Verge" berichtet von einer verstörenden Telefonkonferenz zwischen Canoo und seinen Investoren. Die Telefonkonferenz war die erste, die Canoo als börsennotiertes Unternehmen durchführte. Diese wurde überraschend von Aqulia geleitet, während der bisherige CEO und Mitgründer Ulrich Kranz nicht mehr dabei gewesen ist. Zum 30. April legte Kranz sein Amt dann offiziell nieder. Kurz vorher hatte Canoo bekanntgegeben, dass CFO Paul Balciunas zu einem anderen Unternehmen gewechselt ist. Einige Wochen zuvor hatte bereits der Leiter für die Unternehmensstrategie Canoo verlassen.
Die Hintergründe der Personal-Rochaden sind weiterhin unklar, könnten aber mit einem Strategiewechsel bei Canoo zusammenhängen. Im Februar 2020 hatte Canoo eine – nach eigenen Worten – "Schlüsselpartnerschaft" vermeldet: Hyundai und Kia sollten die von Canoo entwickelte sogenannte Skateboard-Plattform nutzen können. Daraus scheint nun nichts zu werden. Aquila legt inzwischen anscheinend weniger Wert darauf, die Technologie von Canoo zu verkaufen. In einer stillschweigend auf seiner Website für Inverstoren-Beziehungen hochgeladenen neuen Präsentation taucht Hyundai nicht mehr als Partner auf. Analysten gehen davon aus, dass es zwischen Hyundai und Canoo Meinungsverschiedenheiten über die Nutzung von Canoos geistigem Eigentum gibt. Tony Aquila möchte erst die bisher drei Canoo-Modelle fertig entwickeln und dann schauen, was sich an Kooperationen ergeben könnte.
Hyundai stellt sich in Bezug auf seine künftigen Elektroauto-Aktivitäten möglichst breit auf. Im Mai letzten Jahres gaben die Koreaner eine 80 Millionen Euro teure Kooperation mit dem kroatischen Startup Rimac Automobili bekannt (lesen Sie hier mehr zu den Hintergründen). Mitte Januar 2020 gab es dann die Ankündigung, 100 Millionen Euro in eine Zusammenarbeit mit dem britischen Unternehmen Arrival zu investieren (weitere Informationen dazu gibt es hier). Im Februar 2020 dann die dritte Nachricht dieser Art: Hyundai tat sich mit dem kalifornischen Startup Canoo zusammen.
Die Absicht hinter den Engagements war jeweils vergleichbar: Wie mit Arrival auch wollten die Koreaner zusammen mit Canoo Plattformen für künftige vollelektrische Fahrzeuge der Marken Hyundai und Kia entwickeln. Dabei sollte es sich um sogenannte Skateboard-Plattformen handeln. Skalierbare Elektro-Chassis also, die alle relevanten Antriebs-Komponenten bereits enthalten und mit Karosserien und Aufbauten verschiedenster Art kombiniert werden können.
Hyundai sollte von der Kooperation in Form standardisierter und damit einfacher sowie kostengünstiger Entwicklungsprozesse profitieren. Auch die Produktion sollte auf diese Art simpler gestaltet werden, wodurch die Koreaner schneller auf sich ändernde Marktanforderungen und Kundenwünsche reagieren wollten. Der Konzern wollte auf Basis der Canoo-Plattform vom kleinen, massentauglichen Elektroauto, das in den Fahrzeugklassen L6/L7 antreten soll, bis zu Sonderanfertigungen allerlei E-Autos aufbauen. Außerdem sollte das Skateboard die Voraussetzungen für autonome Fahrfunktionen bieten. Der geplante Kleinstwagen sollte als Micromobil rein für den urbanen Verkehr ausgelegt sein und gegen Wettbewerber wie den Citroën Ami One antreten. Auch ein Mietmodell war denkbar.
Wie viel Geld Hyundai die Kooperation bisher gekostet hat, ist nicht bekannt. Der Konzern unterstreiche damit aber sein Bekenntnis, in den nächsten fünf Jahren 87 Milliarden US-Dollar (knapp 80 Milliarden Euro) in Zukunfts-Technologien investieren zu wollen, hieß es im Februar 2020.
Canoo hatte im April 2019 angekündigt, 200 Millionen Dollar (etwa 183 Millionen Euro) an frischem Kapital auftreiben zu wollen. Damals hieß es, Verträge mit Zulieferern und Lieferanten stünden kurz vor der Finalisierung. Im Spätsommer stellte das Startup sein erstes Modell vor: Einen elektrisch angetriebenen Van, der jedoch nicht gekauft, sondern nur monatsweise gemietet werden kann und 2021 auf den Markt kommen soll (mehr dazu in diesem Artikel). Hinter Canoo stand damals der ehemalige BMW-Manager Ulrich Kranz als CEO. Sein Vorgänger Stefan Krause, ebenfalls ein Ex-BMW-Manager, hatte das Unternehmen zuvor bereits verlassen. Auch Ex-Opel-Chef Karl-Thomas Neumann war zeitweise an Bord.
Zuerst sah es so aus, als wolle Canoo zwar auch eigene Elektrofahrzeuge bauen, vor allen Dingen aber mit dem Verkauf von Technologie Geld verdienen. Von dieser Strategie rückt das Start-up nun anscheinend radikal ab: Die Entwicklungs-Kompetenz im Haus halten und fertig entwickelte Fahrzeuge verkaufen oder verleasen, lautet jetzt die Devise. Damit macht Canoo das, was viele etablierte Autohersteller ebenso machen: Soviel wie möglich Elektroantriebs-Kompetenz im eigenen Haus bündeln.
Bei der nun anscheinend nicht mehr bestehenden Kooperation zwischen Hyundai und Canoo gehen Beobachter zudem davon aus, dass es zwischen den Partnern zu Unstimmigkeiten über die Verwendung von Canoos geistigem Eigentum gekommen ist. Und was die Finanzen angeht, muss die US-Börsenaufsicht SEC nun klären, ob alles mit rechten Dingen zugeht.