Mercedes hat Ende 2020 einen neuen Schwerlast-Lkw mit Brennstoffzelle präsentiert und die Elektro-Lkw der Zukunft vorgestellt. Dazu wurde eine neue Kooperation mit Linde verkündet, um die Wasserstoff-Betankung zu verbessern. Jetzt wird der Einsatz von Flüssigwasserstoff erprobt.
Nicht nur bei Pkw, auch bei Nutzfahrzeugen vollzieht sich aktuell eine Zeitenwende hin zum elektrischen Antrieb. Das unterstreicht der Brennstoffzellen-Lkw Mercedes-Benz GenH2 Truck auf Basis des neuen Actros, den die Daimler Truck AG am 16. September 2020 in Berlin enthüllte. Bereits 2023 sollen erste Vorserienfahrzeuge in die Kundenerprobung gehen und ab 2026 die Serienproduktion beginnen. Zum Jahresende 2020 hatte Mercedes außerdem eine neue Kooperation mit Linde bekannt gegeben. Gemeinsam wollen die beiden Partner die Tank- und Speichertechnologie für die künftigen Brennstoffzellen-Trucks entwickeln.
Der elektrische Antrieb von Schwerlast-Lkw hat mit der von E-Autos bekannten Energieversorgung ausschließlich aus Batterien gewisse Probleme: Für die geforderte Nutzlast und Reichweite im Fernverkehrseinsatz müssten enorm schwere und teure Akkus installiert werden. In einer Branche, die mit jedem Cent pro Kilometer rechnet, denkbar schlechte Voraussetzungen.
Brennstoffzelle erzeugt den Fahrstrom
Indem man große Speicherakkus durch eine Brennstoffzelle ersetzt, die während der Fahrt den nötigen Strom erzeugt, kann hingegen eine ähnliche Nutzlast erzielt werden wie mit einem konventionellen Dieselmotor, es wird nur noch eine verhältnismäßig kleine Pufferbatterie benötigt. Aus diesem Grund forschen Nutzfahrzeughersteller weltweit an entsprechenden Wasserstoff-Lösungen für die Transportbranche.
Beim im Herbst 2020 vorgestellten GenH2 Truck setzt Mercedes auf Flüssigwasserstoff als Energiequelle für die Brennstoffzelle. Der Vorteil: Im Gegensatz zum gasförmigen Wasserstoff für Brennstoffzellenfahrzeuge wie im Toyota Mirai sind keine so hohen Speicherdrücke und damit sehr viel leichtere Tanks mit höherer Kapazität nötig. Der Nachteil: Um Wasserstoff zu verflüssigen, muss er unter -253 Grad Celsius gekühlt werden. Mercedes hält diese tiefkalte Speicherung für beherrschbar, wie sich durch bereits verfügbare stationäre Einsätze in der Industrie erweise.
Tiefgekühlter Flüssigwasserstoff als Energiequelle
Beim GenH2 Truck kommen zwei Edelstahltanks für den Flüssigwasserstoff zum Einsatz, die jeweils 40 kg Kapazität aufweisen. Das Edelstahl-Tanksystem besteht aus zwei ineinander liegenden Röhren, die miteinander verbunden und vakuumisoliert sind. Das Brennstoffzellensystem soll in der Serienvariante des GenH2 Truck 2 x 150 kW liefern, die Batterie zusätzlich zeitlich begrenzt bis zu 400 kW. Das Speichervermögen der Batterie ist mit 70 kWh relativ gering.
In der im Dezember 2020 verkündeten Entwicklungspartnerschaft mit Linde wird auch das Tankprocedere konkretisiert, das die beiden Konzerne gemeinsam entwickeln wollen. Es basiert unter anderem darauf, den durch extreme Tiefkühlung verflüssigten Wasserstoff unter Druck zu betanken und zu speichern. Gemeinsam konzentrieren sich die Unternehmen auf ein neues Verfahren zur Handhabung von flüssigem Wasserstoff (sLH2-Technologie). Dieser Ansatz ermöglicht eine höhere Speicherdichte, eine größere Reichweite, eine schnellere Betankung und eine bessere Energieeffizienz.
Eine erste prototypische Tankstelle die die Betankung mit Flüssigwasserstoff ermöglicht, wurde im Sommer 2022 im Entwicklungs- und Versuchszentrum in Wörth installiert. Erste Betankungen an der Pilotstation sollen ab 2023 möglich sein.
Linde und die Daimler Truck AG wollen die Technologie "öffentlich" entwickeln und an interessierte andere Unternehmen kommunizieren. Indem möglichst viele andere Unternehmen eigene Betankungs- und Fahrzeugtechnologien entwickeln, die den neuen Flüssigwasserstoff-Standard anwenden, soll ein globaler Massenmarkt für das neue Verfahren etabliert werden.
Als Antrieb des GenH2-Truck wird der von Mercedes selbst entwickelte eDrive zum Einsatz kommen. Beim eDrive handelt es sich um eine Achse mit einem oder zwei integrierten Elektromotoren (beim GenH2 Truck sind es zwei) sowie dem zugehörigen Getriebe. Diese Bauweise spart gegenüber konventionell angetriebenen Lkw Bauraum und Gewicht. Der skalierbare eDrive-Antrieb soll künftig in allen elektrisch angetriebenen Daimler-Lkw zum Einsatz kommen.
Das GenH2 Konzeptfahrzeug ist mit zwei elektrischen Antriebsmotoren mit jeweils 230 kW Dauerleistung und 330 kW Spitzenleistung ausgerüstet, das maximale Drehmoment der beiden Maschinen liegt bei insgesamt 3.154 Nm bei Dauerbelastung und bei 4.142 Nm kurzfristig abrufbarem Maximaldrehmoment. Die Reichweite des GenH2 Truck soll bei bis zu 1.000 Kilometer liegen.
Daimler Truck AG
Eine elektrische Familie: Der eEconic für den City-Einsatz, der eActros LongHaul für den Fernverkehr mit bis zu 500 km Reichweite und der GenH2-Truck mit Brennstoffzelle.
Eine zweite elektrische Variante des Schwerlast-Actros als Sattelzugmaschine zeigte Mercedes zur Premiere ebenfalls. Der Unterschied: Der Mercedes-Benz eActros Long-Haul ist ein rein batterieelektrisch angetriebener Lkw mit entsprechend großen Speicherakkus für längere Strecken. Seine Reichweite von bis zu 500 km prädestiniert den Mercedes eActros Long-Haul damit eher für den Pendelverkehr auf festen Route, in denen entsprechende Ladefenster eingeplant werden können. Die Leistung des eDrive-Antriebs soll dabei der im Wasserstoff-Pendant GenH2 Truck entsprechen.
Im Video: Die neue Generation des Mercedes Actros
Aktuell hat Mercedes bereits Vorserienfahrzeuge des eActros mit geringerer Reichweite (rund 200 km) und weniger Leistung in der Kundenerprobung. Das Serienmodell des jetzt vorgestellten eActros LongHaul soll "ab Mitte des Jahrzehnts", so der Hersteller, seine Marktpremiere feiern.
Mercedes eConic Elektro-Lkw bereits ab 2022 im Einsatz
Breits früher geht der dritte Elektriker unter den Daimler-Trucks in Serie. Der Mercedes-Benz eConic ist ein Niederflur-Lkw auf Basis des eActros für den Kurzstreckeneinsatz. Mit entsprechend geringerer Leistung und Batteriekapazität wird der eEconic überwiegend als Abfallsammelfahrzeug im urbanen Einsatz in der Entsorgungswirtschaft unterwegs sein. Dieses Anwendungsgebiet eignet sich aufgrund seiner vergleichsweise kurzen und fest eingeplanten Routen von bis zu rund 100 km und einem sehr hohen Stop-and-go-Anteil sehr gut für den Einsatz batterieelektrischer Lkw. Derzeit plant Mercedes den Start des Serienmodells des eEconic bereits im Jahr 2022.
Bereits 2019 hatte Mercedes verkündet, binnen 20 Jahren alle Nutzfahrzeuge in Europa, Japan und Nordamerika nur noch mit lokal CO2-neutralem, also elektrischen Antrieb anzubieten. Der klassische Dieselmotor hätte dann in der westlichen Welt ausgedient, wird aber wohl für Länder ohne entsprechende Lade-Infrastruktur auch über das Jahr 2039 hinaus produziert werden.
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Fazit
Mit der Brennstoffzelle als Energiequelle für den elektrischen Antrieb lässt sich speziell im Nutzfahrzeugbereich den Nachteilen des E-Antriebes (Akkukosten und -gewicht) begegnen. Das Konzeptfahrzeug GenH2-Truck zeigt die Richtung auf, mit welcher der Schwerlastverkehr der Zukunft weg vom Dieselmotor kommen soll. Mit dem Linde-Konzern hat sich Mercedes eine wichtige strategische Partnerschaft gesichert.